So war es einmal im Siegerland
An kirchlichen Sitten war glücklicherweise noch etwas erhalten geblieben. So wurden die Prozessionen auch heute noch bei den Katholiken auf dem Lande durchgeführt. Es wurden die Häuser, Kirchen sowie die Straßen, wo durchgezogen wurde, mit frischen Maiengrün, jungen Tannenspitzen und Fahnen geschmückt. Man baute
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Start eines brennenden Osterrades in Lüdge (Bild aus Wikipedia - Feuerrad) |
Auch den berühmten Siegerländer Hirten gab es längst nicht mehr. Sofort hinter Pfarrer und Lehrer kommend war sein Ansehen. Er war nicht nur Tier-, sondern auch Menschendoktor. Er besorgte den
Kuhhandel und war oft Brautvermittler. Gelang ihm diese Vermittlung, so bekam er vom angehenden Bräutigam oft eine Hose geschenkt. Wenn der neue Hirte zu Martini ins Dorf geholt wurde gab es immer eine große Gaudi. Die Burschen zogen sich die Schellenbügel der Kühe um und gingen ihm entgegen. Dann ging es in ein Wirtshaus und es wurde tüchtig gezecht. Das Bullenstoßen beim ersten Austrieb, was viele Zuschauer aus Nah und Fern anlockte, ist auch längst auf der Strecke geblieben.
Der Brauch vom Osterrad war als letztes noch im oberen Siegtal zu Hause. Ein Wagenrad wurde tüchtig mit Stroh
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Gnadenkapelle der Wallfahrtsstätte Eremitage auf dem Rödgen, Wilnsdorf (Foto: Bob Ionescu) |
Bis etwa 1880 war das Spinnrad auf dem Lande noch überall im Gebrauch. Die Mädchen versammelten
sich abends mit ihren Spinnrädern reihum in den Häusern. Bald kamen die Burschen dazu und es gab allerlei Neckereien. Wer den Faden verlor, musste ihn mit einem Kuss einlösen. Die Alten aber achteten
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Wurstekomission in Salchendorf/Netphen (Bild: Silvesterumzug 2017 wk-salchendorf.de) |
Dem Brautpaar wurde am Verlobungstag in den alten Dörfern mit großem Getöse gedeckelt. Mit Peitschen knallen und zusammenschlagen von Blechdeckeln gab es ein ohrenbetäubendes Konzert. Da es keine Pferde- und Kuhanspannungen mehr gab, fehlten nicht nur die Peitschen, sondern auch die
jungen Menschen die mit einer Peitsche zu knallen verstanden.
Einer der ältesten christlichen Feiertage ist Maria Lichtmess der 2. Februar. Er erinnert an den Tag an dem Jesus als Kind zum ersten mal in einen Tempel gebracht wurde. Sehr viele Bräuche und Sitten sind mit und
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Bärengruppe Helberhausen 2011 |
Der uralte Brauch unserer Vorfahren, der sich auf kluge Naturkenntnisse unserer Ahnen aufbaute, Eichen im alten Lichte schlagen, war seit fast 200 Jahren in Vergessenheit geraden. Die Eichen mussten einst
für die Zimmereien zur Winterzeit aber im abnehmenden Mond geschlagen werden. Die Balken aus diesen Eichen hielten Jahrhunderte und wurden nicht vom Schwamm und Holzwurm befallen. Sie waren so fest, dass man keinen Nagel
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Große Raketen sorgen an Silvester für spektakuläre Leuchteffekte (Bild: Axel Hengstbach) |
An dem Richtkranz wurde einst neben bunten Bändern auch Pfeifen und Tabak angebunden. Sie waren für den Zimmermann und seine Gesellen bestimmt. Bei dem Klaiben, es war das herstellen des
Lehmfachwerkes, brachten Verwandte und Freunde Brot, Butter, Schinken und Wurst herbei. Sie beteiligten sich aber auch an der Arbeit. Mit nackten Füßen wurde der Lehm mit kurzgeschnittenem Stroh gemischt, wobei immer lustige Lieder gesungen
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Tradition alter bäuerlicher Techniken: Dreschen mit dem Dreschflegel |
Es gab auch Sterbesitten in unserem Siegerland. War der letzte Atemzug bei einem Menschen getan, öffnete man das Fenster, damit die Seele des Toten hinaus konnte um zu Gott aufzusteigen. Die Frauen aus der Nachbarschaft zogen den Toden an. Eine Glocke gab die
Sterbestunde bekannt. Ein Trauerflor an der Haustüre zeigte an, dass ein Toter im Haus war. Der Sarg blieb bis zur Beerdigung im allgemeinen offen, da die Beerdigung auf
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Osterklappern durch die Kinder - ein schöner Brauch, den man unbedingt beibehalten sollte (Bild aus Blick aktuell) |
Wer einigermaßen mit unserer Heimatgeschichte vertraut war, wünschte vergangene Zeiten mit ihren Nöten, Entbehrungen und verworrenen Zuständen, wie sie unsere Vorfahren in steter Unruhe und oft unter sklavischen Zwang durchlebten, sicherlich nicht zurück.
Literaturhinweis:
Emil Vollpracht: Sitten und Gebräuche im Siegerlande
Adolf Müller: Siegerländer Heimatbuch
Google: Eichen im abnehmenden Mond geschlagen
Albert Irle: Der guten alten Zeit ist kaum nachzutrauern
Siegerländer Heimatkalender 2012: Lichtmess begann die Feldarbeit
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