Sie kauten Rinde und hartes Stroh
Als Auslöser des dreißigjährigen Krieges galt der Prager Fenstersturz vom 23. Mai 1618. Damit brach auch der Aufstand der protestantischen böhmischen Stände aus, gegen die Rekatholisierungsversuche des Böhmischen Königs, aus dem Hause Habsburg, der zugleich römisch–deutscher Kaiser war.
Zu jener Zeit, bei Beginn des Krieges hatte das Siegerland schon einen gewissen Wohlstand, denn die Herrscher hatten schon eine gute Verwaltung geschaffen. Handel und Gewerbe blühten und hatten schon eine gewisse Sicherheit. Das Siegerländer Eisen und die daraus gefertigten Waren hatten
Ölgemälde des Prager Fenstersturzes von Karel Svoboda (1844)
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einen guten Ruf und fanden tüchtig Abnahme. Die Haubergsordnung regelte die Abholzung und es wurde viel Geld an Eichenlohe und Holzkohle verdient. Die Rindviehhaltung war enorm. Johann, der Ältere hatte schon 1567 die Leibeigenschaft abgeschafft, die in anderen deutschen Länder noch Jahrhunderte Fortbestand.
Der steinige, harte Boden im Siegerland lieferte der genügsamen Bevölkerung Rüben, Hafer, Roggen und Buchweizen. Missernten waren zur damaligen Zeit häufig. Aus Hessen und der Wetterau musste auch in guten Erntejahren Korn eingeführt werden. Das Geld hierfür kam vom Gewerbe und Handel.
Eine Knaben- und Mädchenschule ließ Johann der Ältere schon im 16. Jahrhundert in Siegen bauen. In zehn Kirchspielen des Landes Siegen entstanden Volksschulen. Sogar in den entferntesten Kapellendörfern waren einfache Unterrichtsräume. So
Szene aus dem 30-jährigen Krieg auf einem Gemälde von 1884 (Ernest Crofts)
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wurden im Großstaat Brandenburg–Preußen erst im 18. Jahrhundert unter von Friedrich Wilhelm dem Ersten Dorfschulen errichtet.
Während des dreißigjährigen Krieges hatten keine großen Kämpfe im Siegerland stattgefunden. Doch hatte die Bevölkerung die Grausamkeiten des Krieges oft erfahren müssen. Da rückte 1622 ein Kaiserliches Heer unerwartet nach Siegen vor. Von Weitem hörte man schon die Querpfeifen des verwegenen Kriegsvolks klingen und auf dem Kalbfell wurde der Marschtritt geschlagen. So sangen sie unter anderem “Wir nehmen Quartiere wo's uns gefällt – wir brauchen kein Schlüssel, wir brauchen kein Geld! Und was der Bauer im Hause hat: er macht damit uns Freiherrn satt.“
Der Galgenbaum des Malers Jacques Callot zeigt das Leid der Bevölkerung
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Die grauenhaften Befürchtungen der evangelischen Bevölkerung wurden weit überboten. Sie stürmten in die Bürgerhäuser und misshandelten Männer, Kinder und Frauen jeden Alters und nahmen alles mit was ihnen in die Hände fiel. Es ertönte ein Schluchzen und Bitten, aber sie kannten kein Erbarmen. Die Öfen zertrümmerten sie und Türen und Fenster schlugen sie entzwei. Lebensmittel, die sie nicht mehr fort schleppen konnten, warfen sie lachend in den Kot. Bettzeug und Hausgeräte, alles wurde mitgenommen. So mussten auch alle Kinder und Kranke auf dem Fußboden schlafen und dieses zur bitter kalten Winterzeit.
Die Freiengrunder griffen mit Waffen zur Gegenwehr. Sie hatten nicht viele Waffen und dazu waren sie noch ungeschult. Sie wurden umso härter geschlagen und das Heer ging noch grausamer mit der
Überfall von Reisenden während des Dreißigjährigen Krieges (Ölbild von Sebastian Vrancx)
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Bevölkerung um.
Über Nacht fielen sie in Ferndorf ein. Den Schultheiß entkleideten sie vollkommen. Er hatte sich ihnen entgegen gestellt und um Gnade für die Seinen gebeten. Sie nahmen ihm das ganze Geld ab und misshandelten ihn schwer, lachten über seine Qualen und jagten ihn nackend mit seiner schwer kranken Frau tief in den Wald.
Endlich zog die Meute ab. 30 Schwerverletzte lagen in dem Siegener Krankenhaus, die Graf Johann heilen ließ. Ein Schaden von 80.000 Gulden, was 42.000 Taler entsprach, hatte das Kriegsvolk angerichtet. Für diesen Betrag konnte man seinerzeit etwa 10.000 Kühe oder 1.000 Pferde kaufen.
Sehr große Söldnertruppen wurden in diesem Kriege aufgestellt, die unmöglich
Die Schweden unter Gustav-Adolf beim Dankgebet nach der Schlacht von Breitenfeld
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vom Kaiser oder den deutschen Fürsten bezahlt werden konnten. Daher setzte sich die bekannte Redensart "Der Krieg ernährt den Krieg" durch, das hieß man bediente sich da, wo man gerade zu Gast war.
Am Jahresende 1622 wurden die nassauischen Grafschaften besetzt. Auf Fürsprache des katholisch gewordenen Grafen Johann, des Jüngeren wurde nur die Stadt Siegen verschont. Unbeschreibliche Ausschreitungen traten wieder zu Tage und niemand konnte sich wehren. Man war Soldat aus Lust am Plündern, Rauben und Morden. Ja, man ließ sich Anwerben um Beute zu machen.
Über die wechselhafte Religion der
Die Schlacht bei Nördlingen (6. September 1634) auf einem Ölbild von Jacques Courtois
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Freudenberger fand man glücklicherweise etwas. So wurden 1626 alle reformierten Prediger aus Freudenberg vertrieben. Bis 1632 hatten Jesuitenpater und Pastor Berhof das Sagen. Um Ostern 1628 wurden fast alle Familien in Freudenberg wieder katholisch. Von 1632 bis 1636 gab es wieder einen reformierten Prediger. Danach kam ein katholischer Pfarrer bis 1645. Danach setzte sich Johann Moritz durch und die Freudenberger Bürger wurden wieder evangelisch.
Im Jahr 1630 gab es wieder ein Hungerjahr im Siegerland, in dem die Menschen regelrecht verhungert waren, denn im Jahr zuvor gab es eine Missernte. In diesem Jahr hatten auch holländische Soldaten den Pfarrer von Irmgarteichen in seinem Hause überfallen, ausgeplündert und verschleppt. Die Soldaten wussten bestimmt, wo immer noch etwas zu holen war.
Landkarte des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation nach dem Westfälischen Frieden 1648
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1632 kamen die Schweden. Sie sollten die Kaiserlichen verjagen, den evangelischen Glauben schützen und das Land befreien. Es war nicht von langer Dauer, denn schon im Herbst desselben Jahres fielen Kaiserliche wieder in Freudenberg und Müsen ein. Sie holten das noch wenig Vorhandene herbei, trieben das ganze Vieh weg und lachten über die klagenden Bauern.
Nun schwand auch bei den Schweden die Manneszucht. Sie machten es den Kaiserlichen nach und dachten nur noch an ihr eigenes Wohl. Ein Proviantlager richteten sie in Dillenburg ein. Die verarmten Siegerländer mussten Heu, Getreide und Vieh dorthin liefern.
Den neuen Schultheiß von Freudenberg holten sie 1633 und schlugen ihn so lange bis er versprach sich für 1.800 Taler freizukaufen. Die Freudenberger brachten das Geld zusammen. Aber drei Wochen saß der arme Schulze im kalten Keller, mit Eisen angekettet, bei Wasser und trocken Brot, einsam und verlassen. Von den rauen Wächtern wurde er oft misshandelt. Man ließ ihn endlich frei und er kehrte als
Zeitgenössische Darstellung der Schlacht bei Lutter (27.08.1626)
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gebrochener Mensch Heim um bald darauf zu sterben. Der Bergmeister vom Müsener Stahlberg wurde ergriffen und beraubt. Sein Jammern und Flehen war vergebens, denn er wurde mit einem Schuss zu Tode getroffen. Die Unmenschen stillten ihre Lust an den jammernden Angehörigen.
Ein Winterlager wurde 1635 von Kaiserlichen in Hilchenbach eingerichtet. Die Bevölkerung litt so furchtbar, dass viele von ihnen hinüber ins Kölsche flohen. Sie verkrochen sich hinter Büschen und Hecken und starben draußen einsam und verlassen. Wollte der unsinnige Krieg denn kein Ende nehmen? Es war nicht nur ein Kampf um die Religion, sondern ein erbarmungsloses Ringen um Macht und Beute.
In zügigen Ställen lagen die Leute auf dem Stroh. Der Hunger wurde immer größer. Da der Magen der Menschen knurrte, kauten sie Rinde und hartes Stroh, jammerten und weinten zu Gott. Im Selbsterhaltungstrieb griffen sie zum letzten Mittel. Die Bauern erschossen ihre Peiniger aus dem Hinterhalt und beraubten sie nun ihrerseits. Das war der bittere und grausame Krieg.
Die Unterzeichnung des Friedens in Münster auf einem Gemälde von Gerard ter Borch (1648)
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Zum Ende des langen Krieges 1646/47 waren die Kriegsvölker, ob Freund oder Feind so zuchtlos geworden, dass Raub und Plünderung an der Tagesordnung waren. Besonders litten hierbei nun die Krombacher und die Netpher. Man nahm ihnen das letzte Vieh weg um es einfach zu erschießen.
Dreißig lange Jahre und fünf Monate wütete dieser Krieg und hatte entsetzliches Leid über das Siegerland, das Deutsche Reich und Europa gebracht wie noch kein Konflikt zuvor. Die seit Jahren geführten Friedensverhandlungen von Osnabrück und Münster wurden endlich zu Ende gebracht. Das Heute unter dem Namen „Westfälischer Friede“ bekannte Ergebnis war das Ende des dreißigjährigen Krieges.
Sehr diplomatisch hatten sich die nassauischen Fürsten in diesem 30 jährigen Religionskrieg verhalten. Obwohl sie einen unterschiedlichen Glauben hatten, was heute noch im Siegerland festzustellen ist, hatten sie sich nicht gegenseitig ihre Schlösser und Burgen durch ihre Heere zertrümmern lassen.
Weit mehr als 1/3 der Menschen hatten in Deutschland direkt oder indirekt ihr Leben in diesem Krieg verloren. Wenn man von einer Gesamteinwohnerzahl des Reiches im Jahr 1618 von ca. 18.000.000 Menschen ausging so kann man von weit über 6.000.000 Opfern ausgehen.
Quellennachweis : C: V. Wedgwoods – Der dreißigjährige Krieg St. Marien Freudenberg – Kirche und Glaube im Siegerland Emil Meinhardt – Das Siegerland im dreißigjährigen Krieg Hermann Engelbert – Hinterhüttische Chronik
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