Funkenfänger

Sie hatten Funkenfänger auf dem Kopf

Das Rad der Geschichte drehte sich weiter und weiter. Aber es war gut und wichtig sich ab und zu an das zu erinnern, wie es einst war und wie es entstanden war. Reich an Ausdrücken war die Sprache der Siegerländer Hütten- und Hammerleute in längst vergangenen Tagen. Verschwunden sind alle ihre vielen Gebäude, die einst in unserem Heimatland standen. Verklungen ihre Sprache und Geräusche. Doch es lohnte sich, die Fachsprache von der alten Siegerländer Arbeitswelt und ihre Eigentümlichkeiten wach zu halten.

Schmiedefeuer mit Amboss - Das Bild ist vom Hambachhammer aus dem Ruhrmuseum

Die Eigentümer eines Hammers oder einer Hütte nannte man Gewerkschaft. (1) Nur im Hochsommer vom 25. Juli bis 8. September und im Winter von Weihnachten bis Maria Lichtmess am 2. Februar, wenn große Trockenheit bzw. starker Frost herrschte und die Wasserzufuhr behinderten, lagen die Hämmer still. Die andere Zeit, als gearbeitet wurde, hieß Reise- oder Haltezeit. Es waren quasi 60 Arbeitstage, in denen gearbeitet werden durfte und man bezeichnete sie als Erbtage. Die Zeit in der nicht gearbeitet werden durfte, war die müßige Zeit. Ihre Beginn- bzw. Endtage wurden Maul- und Pfahltage genannt. Die ersten fünf Tage, in denen die Hütte noch nicht die richtige Temperatur hatte, hießen Samttage. Sie gingen auf Rechnung der gesamten Gewerkschaft. Konzessionstage waren Tage, die eine Behörde gegen eine Abgabe einem Gewerken bewilligte. (2) Hüttentage, die nicht genommen wurden und an eine andere Hütte übergingen, wurden übertragene Tage genannt.

Hammertage nannte man bei den Hämmern die Anteile, die jemand besaß (3). Konnten die Gewerken, so wie man die Besitzer nannte, wegen Wassermangel, Feiertage, Witterung, (Eisbildung) oder sonstiges nicht schmieden, hieß der Tag Haytag. Verkaufte ein Gewerke einen Tag, mit den dazu gehörigen Materialien, so war dieses ein blecker Tag. Der Zunfttag

Schmiede das Eisen solange es noch glüht

war ein Pflichttag im Monat Mai, wobei immer ein Mitglied vom Bergamt anwesend war. Auf der Hütte wurde nur der zum Meister ernannt, der das Handwerk von der Pike auf gelernt hatte oder mindestens sechs Hütten- oder zwei Hammertage sein Eigen nennen konnte. Die Reihenfolge der Hütten- und Hammertage wurden Ordnung genannt. (4) Hierüber wachte streng der Hütten-  bzw. Hammerschulze. Die Einhaltung dieser Betriebszeiten war nur durch die Aufsicht der Landesherren und durch die Zunftvorschriften möglich.

Beim Hochofen war unten ein zylindrischer Teil, der Gestell genannt wurde. Darauf waren die Rast und der Schacht. Es waren quasi zwei Kegelstümpfe, die mit ihren Grundflächen aufeinander standen. Oben folgte mit eisernen Platten belegt die Gicht. Einst wurden den zu schmelzenden Erzen vor dem Einbringen in den Ofen hauptsächlich Kalksteine beigemischt. Diese Arbeit nannte man Möllern und die Mischung Möller. (5) Längst möllert man im Ofen. Erze und Kalksteine wurden gleichzeitig in einer Gicht in den Ofen geführt. Jeder Koksschicht

Alter Aufwerfhammer mit seiner Mannschaft - Am Wasserrad steht der Schützenjunge

folgte eine Erzschicht. Dies zusammen nannte man Beschickung.

An den größeren Bächen errichtete man seit dem 14. Jahrhundert Schmelz- und Schmiedehütten. Diese Hütten waren für einen Dauerbetrieb eingerichtet und nicht wie die Rennöfen für kurze Zeit. Die Hütten, in denen man Roheisen oder Rohstahl herstelle, nannte man Blas- oder Massenhütten. (6) Die Masse war ein umgeformter Metallklumpen. Die anderen Hütten, in denen man mit einem Hammer die Massen zu Eisen oder Stahl herstellte, Hammerhütten. Bei beiden nutzte man die Wasserkraft, das sogenannte Wasserrad. Bei dem einen den Hammer zu heben und bei dem anderen die Bälge für den Wind zu betätigen. Um 1850 musste die Wasserkraft der Dampfkraft weichen.

Bei den Stahlhämmern hatte man zwei Feuer bzw. Herde. Der Herd zum Wasserrad hieß Wasserreise und der Gegenüberliegende zur Hofseite hieß Hofreise. Der Esel war eine sich halb drehende Maschine, die das glühende Eisen mit Menschenhilfe aus dem Ofen unter den Hammer zum Schmieden brachte. Der eigentliche Hammer war öfters geschmiedet worden und daher sehr fest. Er hatte ein Gewicht von 800 bis 900 Pfund. Die Luppe, der weißglühende Klumpen, der aus dem Herd kam war 400 bis 500 Pfund schwer. Er wurde zu einem Vierkant geschmiedet und dann in zwei Stücke gehauen. Sie wurden im Ofen nochmals

Die alte Rolandshütte in Weidenau um 1930

erwärmt und dann zu langen Stäben geschmiedet. Erst um 1889 wurde das Gewicht kg einheitlich verwendet. Beim Pfund zuvor gab es kleine Unterschiede im Gewicht in den einzelnen Ländern.

Als Gichten bezeichnete man auch die Füllungen der Hochöfen sowie deren Öffnungen. Die Tain, das Kohlenmaß, war ein aus Holz kantig geflochtener Korb. Der Wagen Eisenstein wog 3 600 bis 4 800 Pfund. Der Wagen Eisen 2 720 Pfund und für eine Karre Eisen wurden 1 020 Pfund gerechnet. Ein Stallen Roheisen wog 170 Pfund. Etwa zehn Stallen betrug die abgelassene Eisenmenge aus dem Hochofen von einer Gicht. (7) Das Eisen ließ man in längliche Formen oder Goßen in den Sand laufen, die auch Kruschen genannt wurden.  War ein Stück Eisen erkaltet, so sagte man es ist gar. Die Stahlhütten ließen das flüssige Eisen in 16 Fuß lange, zwei bis drei Fuß breite und zwei Zoll dicke Flächen laufen, die man Stahlkuchen nannte.

Die Hüttenleute wurden seinerzeit im Siegerland Massenbläser genannt. Sie trugen lange weiße Kittel und hatten ein Schurzfell umgebunden. Auf dem Kopf hatten sie einen breitrandigen, rauen Filzhut. Dieser wurde Funkenfänger genannt, da er die Funken auffangen sollte. (8) Das Taschentuch und eine kleine Zange waren am Schurzfell befestigt. Die Zange wurde zur Entnahme von glühender Holzkohle genommen und

Hüttenmann mit umgebundenem Schurzfell und dem “Funkenfänger” auf dem Kopf (Abb. aus Riimcher uss d’m Seejerland von J.H. Schmick)

ersetzte somit das Feuerzeug.

Der sehr lange Hammergraben, der das Wasser vom Bach ableitete, gehörte immer zu einem Hammer. Später wurden auch Teiche als Wasserreservoir angelegt. Mit ,,hällob'' wurde der Beginn des Schmiedens angekündigt. Der Schützenjunge öffnete daraufhin den Schütz vor dem Wasserrad. Dieses setzte sich nun langsam in Bewegung. Vier bis fünf Frösche waren an der Achse des Aufwerfhammers. Die Schlagzahl betrug etwa 60 pro Minute. Es musste alles genau abgestimmt sein. Der Bär musste auf das Schmiedestück, was auf dem Amboss lag, aufgeschlagen sein, bevor der nächste Frosch den Hammer wieder anhob. Der Bär durfte auch nicht zu lange auf dem glühenden Stück liegen, da es sonst zu schnell abkühlte. (9)

Die Hammerschmiede durften ab 1528 nicht mehr nachts arbeiten. Ihre Arbeitszeit wurde nun von morgens 4 Uhr bis 20 Uhr abends begrenzt. Ihre Betriebszeit wurde wegen dem Holzkohlemangel eingeschränkt. Die Hütten- und Hammerleute achteten streng darauf, dass niemand seine zustehende Arbeitszeit überschritt. (10) Übrigens nahm seinerzeit die Zunft im Siegerland, die sich ,,Bruderschaft der Massenbläser und Hammerschmiede‘‘ nannte, nur Männer auf, die nachweislich im Siegerland geboren waren.

Für wirtschaftliche Zwecke nutzte einst der Siegerländer jedes Fleckchen Erde. Aus großer Not handelte er wohl so, denn den Hammerschmieden und Hüttenleuten war unter Todesstrafe verboten, außer Land zu gehen. (11) Das heißt, das Siegerland nicht zu verlassen und Fremden etwas über die Kunst der Eisenverarbeitung beizubringen. Es war eine Einschränkung der persönlichen Freiheit, die gewisse Vergünstigungen brachte. So z. B. die Befreiung vom Hand- und Spanndienst und von Jagdtreiberpflichten. (12)

Auch ab 1830 sollten die Hütten und Hämmer weiterhin genossenschaftlich betrieben werden. Neben den 13 Hütten- und 28 Hammerwerken durften keine neuen, die Holzkohle verbrauchten, eingerichtet werden. Die

Windgebläse in der Dahlbrucher Hütte - Entwickelt und gebaut von Gebr. Klein, Dahlbruch 1833

neue Hütten- und Hammerordnung brachten aber Zugeständnisse an die Eisenindustrie. Denn bei Verwendung von Steinkohle sowie Koks wurde diese Arbeitszeit nicht auf die festgelegte Arbeitszeit angerechnet. Koks brachte eine größere Hitze und war billiger als Holzkohle, nur der Transport verursachte enorme Kosten, denn es war noch keine Bahnlinie vorhanden.

Nach Eröffnung der Ruhr - Sieg - Eisenbahn im Jahre 1861 hatten sich die uralten Verbindungen zwischen Eisenerz und Holzkohle immer mehr gelöst. Koks und Steinkohle kamen nun aus dem Ruhrgebiet ins Siegerland und Eisenerz aus dem Siegerland wurde immer mehr in den Ruhrpott transportiert. (13) Der Siegerländer Bergbau hatte im Jahr 1913 die größte Fördermenge in seiner Geschichte und zwar 2,61 Millionen Tonnen Erz. Zu dieser Zeit waren etwa 5 000 Arbeiter und Angestellte im Siegerländer Bergbau beschäftigt.

 

 

Quellennachweis:
1. Paul Fickeler = Das Siegerland
2. Siegener Zeitung = Mai 1973
3. Haus der Abgeordneten = Sammlung Drucksachen 1862
4. Otto Arnold = Siegerländer Arbeitswelt
5. Heinrich Gamann = Die Herstellung von Roheisen
6. Albert Haas = Die Bedeutung des Siegerländer Bergbaus
7. E. Diepschlag = Der Hochofen
8. Heinrich Gamann = Die Herstellung von Roheisen
9. Friedrich Oehler = Ein Siegerländer Eisenhammer 
10. Alfred Lück = Vom Eisen
11. Lothar Irle = Das Siegerland
12. Alfred Lück = Die eisenschaffende und –verarbeitende Industrie des Siegerlandes
13. Th. Kraus = Das Siegerland ein Industriegebiet

Druckversion (nur Text) als pdf-Datei zum herunterladen