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Die Tankfüllung war im Rucksack
Es war im Mai 1946 und ein Kraftfahrer betrat mit einer Tankfüllung auf dem Rücken das Gasthaus. Er war mit einem Holzvergaser PKW unterwegs und hatte einen großen Rucksack voll Tankholz auf dem Rücken. Neben die Garderobe stellte er die Tankfüllung und setzte sich so, dass er sie immer im Auge hatte. Leichtsinnig wäre es gewesen, den Rucksack mit den begehrten Buchenholzstückchen seinerzeit auf dem Dach des PKWs, wo er während der Fahrt lag, liegen zu lassen. Denn er wäre ganz
Alfons Jung mit seinem Opel Kapitän Holzvergaser Baujahr 1938. Auf dem Dach ein Holzkoffer
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schnell entwendet worden. Der Fahrer bestellte sich Tee und Kartoffelsuppe, was zu den wenigen Dingen zählte, die zur damaligen Zeit noch ohne Lebensmittelkarten zu bekommen waren. Er schaute nachdenklich, in der großen Gaststube zu dem Hartholz Parkett Fußboden. Mit diesem herrlichen Brennstoff, dachte er, könnte man sehr viele Kilometer fahren. Kleine Rußflöckchen rieselten ihm vom Haupte, denn er hatte schon eine lange Reise hinter sich und hatte dabei den Generator mehrmals bestücken müssen.
So wie jener Kraftfahrer 1946 unterwegs war, ist heute noch manchmal der Siegerländer Holzvergaserpapst Alfons Jung aus Kreuztal Eichen mit seinem Opel Kapitän, dem Holzvergaser von 1938, auf Tour. Nur die Tankfüllung nimmt er bei einer Pause nicht mit in die Gaststätte, sondern lässt sie in einem großen Holzkoffer auf dem Dach des Opels. Der Kapitän hat 6 Zylinder 2472 cm3 und eine Leistung von von 55 PS im Benzinverbrauch. Umgerüstet wurde er 1944 auf Jmbert-PUK-Generatorgaserzeugung und zwar für Braunkohle, Holz und Torf. Die Leistung im Gasbetrieb lag etwa bei 39 PS.
Der Generator wird, wie es üblich ist, nach dem Namen des Erfinders genannt. Es war
Alfons Jung mit seinem Holzvergaser Deutz Schlepper Baujahr 1927. 2011 fuhr er damit auf den Großglockner
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Georges Imbert, der 1884 in Lothringen geboren wurde. 1921 baute er den ersten mit Holzkohle betriebenen Gasgenerator. Ein Jahr später lief das erste Kraftfahrzeug mit diesem Prinzip.
Während des zweiten Weltkrieges mussten wegen der Benzinrationierung alle Zivilfahrzeuge auf Gasbetrieb umgestellt werden. Der Aufruf des Reichsministers Albert Speer vom 22. Oktober 1942 lautete: ,,Ich weise darauf hin, dass die Versorgungslage für flüssige Brennstoffe allen Haltern von Nutzfahrzeugen im eigenen Interesse die Umstellung auf den Betrieb mit Generatorgas zur Pflicht macht. Wer sein Fahrzeug nicht umstellt, kann in absehbarer Zeit nicht damit rechnen, weiterhin Benzin oder Diesel-Kraftstoff zu erhalten. ‘‘ Kurzfristig durfte auch mit Benzin gefahren werden um in geschlossenen Räumen zu rangieren, den Startvorgang zu beschleunigen und um den
Alfons Jung am Steuer des legendären Holzvergaser-Mercedes- Benz L 701, mit dem er schon mehr als 10.000 km gefahren ist
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Leistungsabfall bei Steigungen auszugleichen. So wurden in diesem Krieg etwa 6 Mio. Kfz mit Generatorgas betrieben. Über 300 000 km war immerhin die Fahrleistung dieser LKWs. Neben Deutschland gehörten auch Russland, Schweden und die Schweiz zu den Ländern, die ihre zivil genutzten Fahrzeuge auf Holzgas umstellten.
Wegen des Treibstoffmangels wurden ab 1942 auch Gasschlepper in Serie gefertigt. Aber auch etwa 2 000 Holztankstellen wurden im Lande errichtet, in denen trockenes Holz in Streichholzschachtelgröße verkauft wurde. 2,5 bis 3 kg trockenes Hartholz entspricht etwa ein Liter Benzin.
Mit einer Kesselfüllung, das sind etwa 50 kg entrindete, trockene Buchenholzstückchen, fährt Alfons Jung mit seinem Kapitän circa 100 km. Dann muss an den Straßenrand oder auf einen Parkplatz gefahren werden. Die Rüttelvorrichtung wird nun kräftig bewegt, so dass die Asche durch das Sieb fällt. Nun muss die Asche entfernt werden und der Tank (Generator) wird erneut mit Holz gefüllt. Hat man nun genug Gasdruck erreicht, kann
Vor dem Anheizen prüft Alfons Jung den Opel Kapitän
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die Fahrt fortgesetzt werden.
Frisch geschlagenes Holz ist und war immer für solch einen Gasgenerator zu feucht. Es war der Grund für manch einen Ausfall. Die Betriebsanweisung beschrieb in diesem Fall ,,müssen sie meilern.‘‘ Der Ablauf ist folgendermaßen beschrieben: ,,Öffnen Sie die Schnüffelklappe, klemmen ein Stück Holz dahinter, damit die Luft ungehindert durchströmen kann. Dann neuen Kraftstoff abfüllen. 30 bis 40 Minuten bei geöffnetem Deckel warten, so dass die Feuchtigkeit entweichen kann. Deckel schließen und wie gewöhnlich anfachen und starten. ‘‘
Als der Holzvergaserpapst im Juni 2006 zu einem Oldtiemertreffen nach Ulm, mit seinem Holzvergaser Kapitän unterwegs war, fing der Motor an zu stottern. Was war los? Alfons als alter Fahrensmann war schon so oft wie möglich durch Schlaglöcher gefahren. Dabei wurde der Generator tüchtig durchgerüttelt um ein gefürchtetes Hohlbrennen zu vermeiden. Oder waren etwa Fichtenstücke in den Kessel geraten die Harz abgesondert hatten? Es half nichts, Alfons musste am Straßenrand anhalten. Er öffnete den Fülldeckel und stocherte mit dem Schürharken im Kessel. Dabei muss er ungewollt in ein Gasnest gestochen haben. Es gab eine Verpuffung und Alfons stand im Rauch - und Asche rieselte über sein Haupt. Sofort hielten andere Fahrzeuge an. “Sind sie verletzt?” ,,Können wir helfen?” “Sollen wir die
Der Deutzer Stahlschlepper qualmt zu Beginn mächtig
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Feuerwehr rufen?”
Im April 2011 fuhr Alfons mit seinem Holzvergaser-Trecker über die Hochalpensrtraße auf den Großglockner. Es war ein Deutz aus dem Jahr 1927 mit 56 PS. Er erreichte die historische Passhöhe von 2 576 m. Dabei zog er die Blicke vieler begeisterter Menschen auf sich. Er bekam manchmal Applaus auf der Strecke, denn dieses Schauspiel war schon eine Seltenheit auch für den weit bekannten Großglockner.
Alfons der 80 Jahre ist war ein begeisterter Segelflieger und hatte verschiedene Flugscheine. Aber auch zwei gut laufende Transportunternehmen hat er aufgebaut. Es sind die Firmen Transport Jung und Treber Jung. Im Industriegebiet Backeswiesen in Kreuztal Buschhütten ist der gemeinsame Standort. 50 Mitarbeiter gehören zurzeit zu den beiden Speditionen und etwa 30 Nutzfahrzeuge.
Der Holzgasantrieb arbeitet folgendermaßen. In dem ofenähnlichen Gaserzeuger wird Holz, wobei trockenes Hartholz am besten ist, zu Holzkohle verkohlt. Durch die Zuführung von Frischluft entsteht eine Temperatur bis zu 800 Grad Celsius. Sie reicht aus, die brennbaren Bestandteile des Holzes in Gas umzuwandeln. Über einen Reinigungsbehälter und den Kühler gelangt das Gas zum Motor, in dem es über eine
Alfons Jung in seinem Mercedes-Benz
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Drosselklappe gemischt mit Frischluft geblasen wird. Die Motorleistung ist um 30% geringer als bei einem Benzinmotor. Etwa 100 km kann man mit einer guten Ofenfüllung fahren.
Selbst Militärfahrzeuge waren im letzten Krieg auf Gasbetrieb umgestellt. Es waren LKWs, Busse, Mannschaftswagen, Kübelwagen, Motorräder und sogar Kettenfahrzeuge hatten Holzgasantrieb. Viele liegengebliebene Militärfahrzeuge, auch LKWs von den Gegnern, wurden nach dem Krieg mit einem Imbert Generator versehen. Da weit über eine halbe Millionen solcher Fahrzeuge auf deutschen Straßen nach dem Krieg fuhren, sah man am Rand der Landstraßen oft keine Aschehäufchen liegen. Erst 1950 nahmen die letzten Speditionen von den Holzvergasern Abschied. Wenn der Motor seiner Zeit stotterte, hörte man oft den Spruch: ,,Der Herr schuf in seinem Zorn den Imbert mit dem Rütteldorn. ‘‘
Quellennachweis : Landwirtschaftliches Wochenblatt - Mit einem Sack voll Holz mag mobil – Was wurde aus dem Holvergaser Der Spiegel – Öffnen Sie die Schnüffelklappe Erik Eckermann – 80 Jahre Generator Autos Rudolf Krämer – Die Zeit der Holzvergaser Werner Kroll – Der Gasgenerator
Bilder aus dem Privatarchiv von Alfons Jung
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