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Hautleimfabriken waren im Siegerland zu Hause
Mit dem Gerbereigewerbe im Siegerland entwickelten sich auch die Leimsiedereien bzw. die Hautleimfabriken. Fleisch- und Fettabfälle sowie Fellstücke, die nicht gegerbt wurden, bezogen die Leimsiedereien von den Lederwerken. Aber der weitaus größte Teil der zur Herstellung des Leimes benötigt wurde, war die Fell- bzw. Hautunterseite. Deswegen wurde dieser Leim auch Hautleim genannt. So
Bild 1: In sogenannten Waschholländern wurde das Leimleder mit Frischwasser gereinigt
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blieb bei der Produktion von 100 kg Sohlleder 14 Kg Leimleder übrig. So wurde aus Leimleder in den Gerbereien, Hautleim in den Leimsiedereien hergestellt. Es waren quasi alles Abfälle von den Gerbereien, die aber die Leimsiedereien zur Herstellung des Leimes benötigten.
Die erste Siegerländer Hautleimfabrik wurde 1790 in Hilchenbach gegründet. Ja, es soll die erste Fabrik dieser Art sogar in Deutschland gewesen sein. Zuvor hatten die Gerber selbst den Leim in Kesseln gesiedet und somit als Nebengewerbe betrieben. 1808 wurde die erste Leimsiederei in Siegen und 1841 in Freudenberg ins Leben gerufen. Zuvor haben die Rot- und Weißgerber im Nebengewerbe den Leim selbst gesotten. Die Leimsiedereien hatten 1850 in Hilchenbach schon einen echten Stellenwert. So wurde 1854 hier schon 290 Zentner Leim, von fünf Arbeitern aus vier Siedereien, die Betriebsinhaber nicht mitgerechnet, hergestellt. Dies war ein Wert von 3.400 Talern. Für die Herstellung von Hautleim wurden Berge von Weißkalk benötigt. Diese wurden zuvor in eisernen Pfannen und später in Kalklöschapparaten gelöscht.
In den Hautleimfabriken Hilchenbachs waren 1861 nur 12 Arbeiter beschäftigt. Aber in den 1870er Jahren erlebten die Leimsieder, ähnlich wie die
Bild 2: Briefkopf der Lederleimfabrik Eberh. Stauf, Siegen
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Lederindustrie, einen ungeahnten Aufschwung. Im Jahre 1880 wurden im Siegerland schon 21 Betriebe gezählt, die vorwiegend in Freudenberg, Hilchenbach und Siegen zu Hause waren. Sechs Hilchenbacher Leimfabriken hatten zu Beginn des 20. Jahrhundert 150 Personen beschäftigt. Zur bedeutenden Hilchenbacher Leimfabrik wuchs aus einer Weißgerberei die Firma ,,F.W. Weiß Daniels Sohn m b H", genannt NINGELN, heran. Friedrich Wilhelm Weiß hatte zwischen 1733 und 1814 eine Gerberei und verarbeitete die eigenen Fleisch- und Hautabfälle zu Leim. Hieraus entwickelte sich über mehrere Generationen das Familienunternehmen F.W. Weiss Daniels Sohn. Sie wurde nach einem Brand zur größten und modernsten Leimfabrik Deutschlands aufgebaut. Außerdem waren im
Bild 3: Briefkopf der Firma F.W. Weiss, Hilchenbach, aus dem Jahr 1916
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heutigen Stadtgebiet noch zwei Leimsiedereien in Müsen, zwei in Hadem und eine in Haarhausen.
Mit wachsender Bevölkerung und der Industrialisierung wurde immer mehr Leim benötigt. Handwerker, Papierfabriken, Buchbinder und besonders die Möbelfabriken brauchten den Leim. Bis in die 1880er Jahre wurde der Leim noch in alter handwerklicher Weise hergestellt. Dieses war sehr witterungsabhängig, denn der Leim konnte nur im Sommer bei hohen Temperaturen luftgetrocknet werden. Mit Einführung der Dampfmaschine war die ganzjährige Produktion möglich. Die Leimbrühe, die zunächst 6 bis 10 % Leim enthielt wurde nun im Vakuumapparat auf 30 Prozent Leim eingedampft. Weiter installierte man Trockenkanäle, die über eine Dampfheizung von einem Ventilator angetrieben wurden. Solch eine 100 PS starke Dampfmaschine, das letzte Relikt der Leimfabrik Otto Nöll von 1904, steht im Technikmuseum Freudenberg.
Als Ende der 1890er Jahre der Rückgang der Siegerländer Lederproduktion begann, mussten die Leimsieder sich auf die Einfuhr aus den Nachbargebieten aus Europa und Übersee verlassen. 70 Prozent des Rohstoffbedarfs mussten nach der Jahrhundertwende bereits eingeführt werden. Denn alle hatten ihre Produktionsstätte vergrößert. Hieraus ist ersichtlich, dass die Leimindustrie durch die Lederherstellung entstanden ist und von ihr abhängig war. Neben der Leimindustrie verdankt noch ein zweiter Wirtschaftszweig im Siegerland ihre Entstehung und Entwicklung der Lederindustrie, nämlich die Filzindustrie. Wo die Gerbereischwerpunkte lagen waren auch die Hauptzentren der Leimindustrie. 1910 kam ein Drittel der gesamten Deutschen Leimproduktion aus dem Siegerland, der zu einem erheblichen Teil ins Ausland ging. In der Zeitschrift Deutscher Tischlermeister erschien oft folgende Anzeige: ,,Merkt Euch diesen Reim, gut ist Hilchenbacher Leim, ihn liefert Euch zu Danke, die Firma C. W. Klanke".
Es waren keine angenehmen Gerüche in einer Leimfabrik. Je nach Witterung wurde auch die Nachbarschaft damit belästigt. Die Leimsiedereien hatten sich oft an den Bächen, in der Nähe der Gerbereien, angesiedelt. Sie benötigten auch das fließende Wasser wie die Lederwerke. Um 1 000 Kilogramm Hautleim herzustellen waren 800 bis 1 000 Liter Wasser notwendig. Aber auch die kurzen Wege waren vorteilhaft. Streitigkeiten mit den zeitgenössischen Konkurrenten um das
Bild 4: In den handbetriebenen Pressen wurde das Leimleder entwässert
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Wasser, den Betreibern von Rieselwiesen und Wasserkraftanlagen, blieben nicht aus. Die Errichtung neuer Betriebe wurde manchmal wegen Widersprüche abgelehnt. Diese sahen nämlich ihre eigene berufliche Tätigkeit wegen der Verunreinigung des Wassers gefährdet. Ein Abfallprodukt bei dem Leimhersteller waren die Fette. Diese gingen in die Seifenfabriken, die auch im Siegerland zu Hause waren. In schlechten Zeiten kochten die Leimsieder auch selber Kernseife.
Mit Ausbruch des ersten Weltkrieges musste die Produktion stark zurück gefahren werden. Die Importe aus Übersee, die getrocknet und in Ballen gepresst ankamen, blieben ab 1916 aus. Auch die Fleischabfälle wurden zur Herstellung von Futtermittel verwendet. Es gab einen großen Bedarf an Hautleim, aber die erforderliche Menge konnte nicht hergestellt werden. Die Leimfabrikanten von Freudenberg schlossen sich, um Kosten zu sparen, zu einer Produktionsstätte zusammen. Nach diesem Krieg hatte die Leimindustrie bis 1923 einen kurzen Aufschwung. Aber dann schrumpfte die
Bild 5: Um der Leimbrühe Wasser zu entziehen dickte man sie im Vakuumverdampfer ein
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Zahl der Leimhersteller in Deutschland erheblich. Zu einer Einkaufsgemeinschaft hatten sich die Siegerländer Hautleimfabrikanten in den 1930er Jahren zusammen geschlossen, dennoch mussten sie ihre Produktion stark einschränken auf Grund der strengen Kontingentierung. Es gab kaum noch Gewinne und die Betriebe wurden gezwungenermaßen stillgelegt. Die Weltwirtschaftskrise machte auch den Hauptabnehmern von Hautleim, der Möbelindustrie zu schaffen, denn sie hatten kaum noch Aufträge.
Die Rohstoffzufuhr wurde im zweiten Weltkrieg vollkommen abgebrochen. Während des Krieges wurden Arbeitsgemeinschaften gebildet, wobei es immer zum Streit kam, welche Firma stillgelegt und wessen Produktion weiter laufen sollte. Es konnte nach dem Kriege nur in wenigen Betrieben wieder gearbeitet werden. Durch die Abschottung vom internationalen Markt kamen 90 % aller deutschen Leimsiedereien zum Erliegen. Nur noch 34 Leimfabriken in Westdeutschland nahmen die Produktion wieder auf. Zudem verdrängten die neuen synthetischen Klebstoffe die traditionellen Hautleime. Hohe Umweltauflagen
Bild 6: 1865 erhielt die Leimfabrik STAUF einen großen Trocknungsbau für die natürliche Trocknung von Hautleim-Gallerttafeln
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forderten weiterhin kostenintensive Kläranlagen für die stark mit Chemikalien belasteten Abwässer. Im Hlichenbacher Raum konnte nur noch die Leimfabrik in Hof Stöcken ihre Arbeit fortsetzen.
Im Siegerland gaben im Laufe der 1950er und 1960er Jahre sämtliche Leimfabriken ihre Produktion auf. Nur die Firma Otto Nöll Freudenberg führte als letzte die Geschäfte noch bis 31. März 1972 weiter. Die Firma Stauf ist war einzige Unternehmen im Siegerland, dass den Wechsel vom tierischen Leim zum künstlichen Klebstoff vollzogen hatte. Längst gibt es den Beruf des Leimsieders nicht mehr. Aber in der dritten Welt wird – neben moderner Technik - auch heute noch nach alter Tradition Hautleim hergestellt.
Quellenverzeichnis: Text: Hilchenbacher Stadtmuseum Siegerländer Arbeitswelt von Arnold Otto Wikipedia, Leimsiederei im Siegerland
Bilder: Bilder 1 + 2 und 4 - 6: Fa. Stauf, Siegen Bild 3: Stadtmuseum Hilchenbach
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