Die Elektrische

Die Elektrische war eine wichtige Verkehrsader im Siegerland 
 

Bereits 1890 diskutierte man über eine Straßenbahn, aber auch  eine Pferdebahn von Siegen nach Geisweid war im Gespräch. Nachdem aber die Voraussetzungen für eine elektrische Straßenbahn erfüllt waren, gründete der Kreistag des Kreises Siegen am  13.04.1901 die Siegener Kreisbahn. Die erste Straßenbahn im Kreis Siegen fuhr am

Der Wagen Nr.  9 der Straßenbahn 1905 in der Wilhelmstraße in Weidenau

14.11.1904 von Kochs Ecke in Siegen die 6,8 km lange Strecke zum Geisweider Bahnhof. Bereits 1905 ging die erste Erweiterung in Betrieb. Später fuhren die Bahnen auch von der Siegener Eintracht über Kochs Ecke nach Hain. Diese Gleise wurden bisher nur von Güterzügen  befahren. Die Gleisspur wurde von Anfang an mit 1,435 m, wie die der Reichsbahn, gewählt. Aus diesem Grunde konnte die oben angeführte Strecke auch genutzt werden.

Die erste befahrene Strecke wurde 1908 bis nach Langenau verlängert, da man dort die Wagenhalle gebaut hatte. Zu dieser Zeit wurde auch der Güterverkehr aufgenommen. Sie beförderten mit extra gebauten Wagen Kohlen von Geisweid zum Elektrizitätswerk. Aber auch der gesamte Güterverkehr der Werke Birlenbacher Hütte, Siegener AG, Siegener Maschinenbau AG und Achenbach Söhne in Buschhütten ging erst einmal über die Gleise der elektrischen Straßenbahn.

Inzwischen hatten sich auch die Geschäftsleute der Oberstadt gerührt und

Der Wagen Nr.  8 etwa 1907 in der Unteren Friedrichstraße in Weidenau beim Hotel Patt

verlangten ihre eigene Elektrische. Für die Planer war diese Strecke eine Herausforderung, denn sie hatte eine Steigung bis 10%  und die Mindestkurvenradien von nur 15 m. Die Strecke wurde gebaut und am 11.6.1910 feierlich eröffnet. Die Oberstadtbahn startete am Kölner Tor, befuhr dann die Kölner-, Post- und Löhrstraße zum Markt. Hier wurde das Denkmal umfahren. Es ging weiter durch Marburger- und Giersbergstraße. Dann durch den Hohler Weg bis zur Hagener Straße, wo sie in das alte Gleis mündete.

In den steilen und schmalen Straßen fuhren die Wagen sehr langsam. Einige Leute gingen lieber zu Fuß um schneller ans Ziel zu kommen. Oft war der Schaffner und der Wagenführer die einzigen Insassen. Im Volksmund kam die Scherzfrage auf: ,,Vorn wat onn henne wat, enn dr Medde nix, wat eß

Die Oberstadtbahn 1910 in Siegen auf dem Marktplatz mit Nikolaikirche und Rathaus

dat?" Und lachend kam die Antwort ,,Die Oberstadtbahn!" Zu Beginn des ersten Weltkrieges wurde der unrentable Betrieb eingestellt und nie wieder aufgenommen. Die Schienen lagen aber noch lange in den steilen Straßen. Die älteren Leute schimpften bei Glatteis darüber, aber für die Jungens bildeten sie eine wunderbare Rutschbahn bergab.

Viele Anträge wurden gestellt, die Straßenbahn bis nach Kreuztal weiterzuführen. Die Kreisverwaltung hatte dieses mehrmals zugesichert. Die Pläne scheiterten immer daran, dass in Langenau die Gleise der Reichsbahn gekreuzt werden mussten. Es war nicht problemlos, zumal die Eisenbahndirektion in Elberfeld die Erweiterung des Bahnhofes Kreuztal zu dieser Zeit plante, mit Anlegung eines Verschiebebahnhofes in Buschhütten. Die Straßenbahnschienen wurden aus diesem Grunde 1913 auch nur bis Langenau weitergelegt, kurz bevor die Eisenbahnlinie gekreuzt werden musste. Dieses war natürlich nur ein Provisorium, denn von hier war der Personenverkehr bei weitem nicht kostendeckend. Der Bau einer elektrischen Straßenbahn war schon sehr kostspielig, denn außer dem Schienenstrang am Boden benötigte man eine Oberleitung zur ständigen

Ein Wagen der Oberstadtbahn 1914 mit weiblichem Personal

Abnahme für den Strom.

Als nun endlich feststand, dass die elektrische Straßenbahn mit einer Überführung des Bahnkörpers in Langenau weitergebaut werden sollte, brach der erste Weltkrieg aus. Auch durch die nach dem Kriege auftretende große Inflation wurde der Weiterbau erst 1926/27 verwirklicht. Die Strecke wurde Ende Juli 1927 in Betrieb genommen. Dass dieser Weiterbau wichtig und richtig war zeigte der Verkehr auf den Gleisen. So verkehrte damals tagsüber alle 20 Minuten eine Straßenbahn von Kreuztal nach Siegen, aber auch von Siegen nach Kreuztal. Auch die Reichsbahn ließ zu dieser Zeit täglich alleine 18 Züge, die Personen beförderten, in jede Richtung fahren.  

Im oberen Ferndorftal sah man diese elektrische Bahn als ganz wichtige zweite Lebensader des Verkehrs nach der Reichsbahn an. Daher forderte man seit langem auch den Weiterbau bis nach Hilchenbach. Die Hilchenbacher bekamen hierbei nicht nur Unterstützung vom Amt

Die Oberstadtbahn in der Poststraße 1911 an der Ausweiche in Siegen

Keppel, sondern auch vom Amt Ferndorf, die alle diese Verkehrsentwicklung als großen Fortschritt ansahen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass am 3. Juni 1912 in der Mitte dieser Strecke im Gasthof Koch (heute Dahlbrucher Hof) in Dahlbruch eine Versammlung über dieses Thema durchgeführt wurde. Vertreten waren alle Gemeinden von Kreuztal bis Hilchenbach, die Ämter Ferndorf und Keppel sowie Gewerbe, Handel und die Industrie. Bei dieser Sitzung wurde ein Ausschuss gebildet, der die notwendige Verbindung voran treiben sollte. Man bot die Trasse der Reichsbahn, die weiter nach Süden verlegt werden sollte, an. Bei diesem so sinnvoll erscheinenden Plan gab es große Schwierigkeiten, denn in Dahlbruch hätte die Reichsbahn zweimal überquert werden müssen.

Am 30. März wurde von der Kreisbahn-Kommission folgender Beschluss aufgestellt: ,,Nach Kenntnisnahme der von uns aufgestellten Rentabilitätsberechnung, wonach ein Bahnbetrieb Kreuztal-Hilchenbach einen jährlichen Zuschuss von 51 600 Mark erfordern würde und dem Bericht des Amtmannes in Stift Keppel vom 19. Januar 1914, wurde beschlossen, von der Weiterführung, so lange nicht eine wesentliche Änderung eintritt,

Die Siegener Kreisbahn nimmt 1908 die Straßenbahnstrecke Dillnhütten-Buschhütten- Langenau in Betrieb

abzusehen." Auch der Kreisausschuss  hatte diesem zugestimmt. Der Weiterbau ist nie verwirklicht worden. Am 12. Juni 1928 bekam die Firma Albert Schmidt/Kreuztal die Konzession zum Betreiben einer Kraftfahrlinie Kreuztal-Hilchenbach. Der Omnibusverkehr hatte die Verkehrsverhältnisse im Ferndorftal zur damaligen Zeit wesentlich verbessert. 

Durch die Beliebtheit der Straßenbahn gab es auch die eine oder andere Ironie. So sollte in Siegen seinerzeit ein Junge in der Schule einen Satz mit wahrscheinlich bilden. Der Junge schrieb: ,,Mein Vater fuhr heute Morgen mit der Straßenbahn nach Eisern. Wahrscheinlich kommt er am gleichen Tage an." So auch in der Zeit des dritten Reiches. ,,Wie gäret Henner?" ,,Danke wie soll et goah? Wie enn dr Elektrische!" ,,Hä?"  ,,Wie enn dr Elektrische ,ech sänet doch! E`paar stoah

Von 1904 bis 1927 hatte es gedauert, bis die 11,5 km elektrisch betriebene Straßenbahnstrecke von Siegen-Eintracht bis Kreuztal befahrbar war

hennerm Führer die annern sitze!"

Am 30. Mai 1952 wurde die neue O-Bus Linie von Siegen nach Kreuztal eröffnet. Tags zuvor fuhren auf dieser Strecke die letzten Straßenbahnen. Für den zunehmenden Autoverkehr wurden die Straßenbahnen auf den Schienen ein immer größeres Hindernis. Deshalb wurde 1956 die Strecke nach Kaan-Marienborn und am 31. August 1958 die Strecken nach Eiserfeld und Eisern durch Buslinien ersetzt. Die Ära der Straßenbahnen ging damit im Siegerland zu Ende, wenn auch im Jahre 1943 über 8 Millionen Personen damit befördert wurden.

 

Quellennachweis:
,,De Elektrische“ von Alfred Lück
,,Straßenbahnen und Obusse im Siegerland“ von Gerhard Moll
,,Kreisbahn Siegen-Wittgenstein“ Wikipedia
,,Keine Elektrische im Ferndorftal“ Stadtarchiv Hilchenbach
,,Straßenbahn-Siegerlandbahn“ Google
 

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