Filzfabriken

In Hilchenbach und Freudenberg gab es Filzfabriken

Archäologische Funde, die den Filzgebrauch belegten, waren aus der Jungsteinzeit. Es handelte sich um Reste, die als  gepresstes Tierhaar indentifizierbar wurden. Dies war lange vor Christi Geburt. Es war die Zeit, als die Menschen sesshaft wurden. Sie begannen Häuser zu bauen und Haustiere zu halten. Filzgegenstände älteren

Filzwarenfabrik Weiss & Cie mit ihrer Belegschaft um 1900

Datums wird man wohl kaum noch finden, da das Material gut kompostierbar war. In  der Fachliteratur wurde teilweise die Meinung vertreten, dass Filze als textile Flächengebilde älter seien als Gewebe, wofür aber bislang die Belege fehlten.

Noch heute wenden in Asien Kirgisenstämme die alte Technik des Walkens an. Mit Molke wurden die Filzdecken getränkt, um eine Stange gewickelt und mit Seile befestigt. Mit vorgespannten Pferden wirbelte die Rolle dann beim Galopp über die holprige Steppe. Hierbei wurde der Filz durch Aufprallen auf den Boden gewalkt. Die Mongolen und die Tibeter galten als Meister in der Filzherstellung. Nicht nur für ihre Kleider verwendeten sie ihre Filze, sondern auch für

Die Filzwarenfabrik Scheuermann vor 1914 - Sie ist am 17. Dezember 1924 abgebrannt. Heute Bereich Wittgensteiner Straße 37-41.

die Herstellung ihrer Zelte.

Die Abfallmengen von Tierhaaren wurden im Siegerland in den Blütejahren der Gerbereien von 1852 bis 1888 immer größer. So wurde neben der Leimindustrie auch die Filzindustrie als zweite Folgeerscheinung der Gerbereien ins Leben gerufen. Zwei ehemalige Gerber und zwar Carl Scheuermann aus Haarhausen (heute Hilchenbach) und Albert Müller aus Freudenberg versuchten aus Schwitzhaaren der Tiere Filz herzustellen. Es gelang ihnen erst durch Beizprozesse die glatten Tierhaare filzfähig zu machen. Zuvor hatten die Gerbereien die Haare von zehntausenden Fellen jährlich auf die Felder gestreut und luftgetrocknet. Man verkaufte sie dann an die Maurer, die sie zum Feinputz nahmen oder zum Binden der Lehmgefache an den Fachwerkhäusern.

Als Gründer der Siegerländer Filzindustrie ist Carl Scheuermann zu nennen, der auch 1869 die erste Siegerländer Filzfabrik an der Insbach in Haarhausen baute. Diese wurde 1925 ins Keppeler Breitenbachtal verlegt. Sie wurde sehr bekannt als ,,Stift Keppeler Filzfabrik.“

Im Breitenbachtal war zuvor eine Filzfabrik von Vollbracht und Weiß. Scheuerfeld hatte auch noch eine dieser Fabriken an der Ferndorf in Allenbach. Die Stift Keppeler 

Die Stift-Keppeler Filzfabrik im Breitenbachtal vor dem Bau der Talsperre

Filzfabrik entwickelte sich später zu einem der größten deutschen Unternehmen in der Filzproduktion. Außer den drei Filzfabriken in Hilchenbach gab es noch zwei in Freudenberg.

Filz war ein Gebilde aus regellos miteinander verschlungenen Tierhaaren. Filz war dehnbar, druckelastisch und widerstandsfähig, so dass kaum Knitter entstanden. Weiterhin war er schallhemmend und isolierte gegen Kälte und Hitze. Außerdem gewährleistete er zur Polsterung Schutz bei mechanischer Belastung. Filz war in der Regel nicht brennbar. Bei direkter Feuereinwirkung begann der Stoff erst ab 320 Grad Celsius zu verkohlen.

In der Keppeler Filzfabrik wurden u. a. Filze für den Wärmeschutz und Isoliermaterial hergestellt sowie Schuhfilze für die Hausschuhindustrie. Man muss es sich einmal vorstellen, nur für die Filzpantoffel arbeiteten in den 1930er Jahren alleine 120 Männer. Sohlenfilz aus Keppel wurde dann auf einen Lastwagen mit zwei Anhängern nach Pommern zur Greifenhagener Filzpantoffelfabrik südlich

Unterhalb der Sperrmauer der Breitenbachtalsperre die Stift-Keppeler Filzfabrik

von Stettin geliefert. Zu jener Zeit arbeiteten in Allenbach Männer in den Berufen Filzer, Walker und Krempler. Ihr Können ließ guten Plattenfilz in sechs Hauptarbeitsgängen entstehen. Für die Kunst Filz herzustellen gab es das alte Sprichwort: ,,Gut gekrempelt ist halb gefilzt und gut gefilzt ist halb gewalkt.“

Nassfilzen war auch unter dem Begriff Walkfilzen bekannt, es war die traditionelle, handwerkliche Verarbeitung von Tierhaaren. In Kombination mit warmen Wasserdampf und Seife (alkalische Filzhilfe) stellten sich die Schuppen in der obersten Schuppenschicht der Haare auf. Hierbei bewirkte man durch Walken gleichzeitig ein gegenseitiges Durchdringen der einzelnen

In der Bildmitte rechts das Hammerwerk Vorländer und links die alte Filzfabrik um 1910

Fasern. Die aufgestellten Schuppen verkeilten sich miteinander und zwar so stark, dass sie nicht mehr zu lösen waren. Das Material schrumpfte hierbei stark zusammen und es ergab sich ein festes textiles Flächengebilde. Die endgütige Form konnte dabei nahtlos aus einem Stück heraus gearbeitet werden. Da Walkfilze aus tierischen Fasern bestanden, handelte es sich um ein Naturprodukt, das biologisch abbaubar war.

Im Siegerland gab es etliche Filzfabriken. Sie benötigten auch das fließende Wasser und waren daher immer an den Bächen angesiedelt. Als dann um 1900 die Lohgerbereien enorm zurück gingen, bekamen die Filzfabriken natürlich weniger Tierhaare und mussten die Fertigung reduzieren. Nach dem zweiten Weltkrieg fielen noch die Absatzmärkte im

Das Schwungrad steht als Industriedenkmal in Netphen-Deuz. Es stammt aus der 1915 erbauten Dampfmaschine der Stift-Keppeler Filzfabrik

Osten aus und man musste die Produktion umstellen. Nun wurden Filze für Schleif- und Polierscheiben, sowie für die Auto-, Metall- und Glasindustrie hergestellt. Als Rohstoff wurde Wolle aus dem Ausland, Amerika, Australien sowie Tierhaare aus China bezogen.

Als letzte von allen Siegerländer Filzfabriken gab die Stift Keppeler 1983 ihre Produktion auf. Hier liefen neben modernen Walkanlagen auch noch alte Maschinen, so zum Beispiel die Etagenpresse aus den zwanziger Jahren. Eine 1915 erbaute Dampfmaschine diente bis zum Schluss der eigenen Energieerzeugung. Das große Schwungrad, von dieser als Technisches Kulturdenkmal eingeordneten alten Maschine, steht heute im Netpher Ortsteil Deuz.

 

Quellennachweis

Beiträge zur Geschichte Hilchenbachs von Reinhard Gämlich

Siegerländer Arbeitswelt von Arnold Otto

Mühlen und Müller im Siegerland von Hans-Dirk Joosten

Wikipedia unter Filz

 

 

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