Kuhjochschnitzer

Der letzte Kuhjochschnitzer vom Ferndorftal

Jahrtausende wird es wohl gedauert haben, bis der Mensch die Zugkraft des Rindes richtig zu nutzen wusste. Immerhin gehört das Rind nach dem Hund zu den ältesten Haustieren Europas. Man merkte schließlich, bedingt durch den Körperbau der Tiere, dass mit der Stirn die größte Kraft zu bewegen war. So wird man vor langer Zeit zu den Genickgeschirren und dann zu dem Vorkopfjoch, dem sogenannten Stirnjoch, gekommen sein. Das Joch, was unter anderem auch,, Das Geschirr zum Anspannen der Zugtiere’’ bedeutete, ist übrigens keine Erfindung der Neuzeit. Es war früher auch mal ein Feldmaß. Die Größe dieser Fläche war das, was ein Joch (Gespann) Ochsen am Tage umpflügen konnten, und dies war etwa 50a.

Die sogenannten Genickgeschirre, allgemein auch schon Joche genannt, wurden in den vergangenen Jahrhunderten von sogenannten Jochmachern hergestellt. Da diese Geschirre für die Menschen von großer Wichtigkeit waren, ist der Jochmacher ein eigener anerkannter Berufszweig gewesen. Hinsichtlich des Zuges (Zugkraft) war kaum ein Unterschied

August Menn in seiner Hilchenbacher Werkstatt mit einem prächtigen Kuhjoch

bei den Geschirren, jedoch existierten verschiedene Ausführungen, die durch das Brauchtum in der Formgebung beeinflusst wurden.

Von allen Zweigen der Viehzucht kam im Siegerland der Rindviehzucht die größte Bedeutung zu. Wenn es auch bei einer Viehzählung am 1. Dezember 1912 im Siegerland  1268 Pferde gab, so war das Hauptzugtier des hiesigen Landmannes doch das Rind bzw. die Kuh. Der Rindviehbestand betrug bei dieser Zählung im Kreise 14 622 Stück. Die Pferde waren hauptsächlich in der Industrie und im Handel anzutreffen, denn hier war für sie das ganze Jahr über Arbeit. Da es im Siegerland überwiegend Kleinbetriebe gab, waren die Fahrkühe in der Landwirtschaft und im Hauberg von großer Wichtigkeit und mit weitem Abstand am häufigsten anzutreffen. Wenn diese Fahrkühe auch längst nicht die Leistung von Zugpferden, Ackergäulen oder Ochsen erbrachten, so waren sie doch wegen ihrer Milch und dem Fleisch am wirtschaftlichsten für die meisten Bewohner. Es haben seinerzeit 85% der Siegerländer Kühe Spannarbeit leisten müssen. 

Da der Kopf und somit die Stirn bei dem weiblichen Rindvieh kleiner ist, wurde hierfür ein Kuhjoch angefertigt. Weil die meisten Kühe im hiesigen Raum Fahrkühe waren, benötigte man bei uns sehr viele Kuhjoche. So ist es auch nicht verwunderlich, dass es im Siegerland die sogenannten Kuhjochschnitzer gab.

Der letzte dieser Kuhjochschnitzer vom Ferndorftal war der Hilchenbacher August Menn, mit Hausname Königs. Er hatte den Beruf des Stellmachers in Berleburg erlernt und übte diesen in seinem Elternhaus  (mit Hausnamen Wänersch) in Helberhausen aus. Aber auch die Ausbildung als Jochmacher hatte er bei August Schäfer, der 1911 verstarb und ein bekannter Jochschnitzer war, in Niedernetphen war gemacht.

Da ihm die Jochschnitzerei besonders lag, verkaufte er schon als 27jähriger 1899 sein erstes Joch. 1902 kaufte er sich in der heutigen Ferndorfstraße in Hilchenbach ein Haus wo er sich selbstständig machte. Im Hause befand sich bis dahin noch eine alte Leimsiederei, deren letzter Meister König hieß. Da der Name Menn im oberen Ferndorftal sehr häufig war, nannte man ihn Königs August. Noch heute ist der Name Königs bei alten  Hilchenbachern im Sprachgebrauch.

Wenige Jahre später ging er nach der Firma Gebr. Klein in Dahlbruch und arbeitete dort als Modellschreiner. Wenn er nun nach Feierabend von Dahlbruch nach Hause kam, begann die Jochmacherei. Um seine Anwesenheit den Landwirten kundzutun, steckte er immer, wenn er zu Hause war, eine weiß beflaggte Bohnenstange zu seinem Haus.

Die Joche, und bei ihm besonders Kuhjoche, wurden aus abgelagertem Birkenholz hergestellt, was der Hauberg lieferte. Zunächst wurde der Rohling mit der Axt bearbeitet. Danach bekam er mit dem Schnitzmesser seine eigentliche Form. Daher auch der Name Jochschnitzer. Der Landwirt musste nun in dieser Zeit das Zugtier vorführen, damit das Joch genau nach Stirn und Hörnerform angefertigt werden konnte, um dem Tier später unnötige Quälereien zu

Tagebuch von August Menn mit der ersten Eintragung vom 15. März 1899 über das erste verkaufte Joch. Er erhielt dafür 3 Mark. Bezahlte Positionen wurden durchgestrichen.

ersparen. August Menn verstand sein Handwerk, er war ein Meister seines Fachs, und so gingen seine Joche bis ins Sauerland. Den Jochbeschlag lieferte der Dorfschmied und der Sattler das Lederkissen mit Lederriemen zum Festschnallen. Wenn eine Fahrkuh den Besitzer wechselte, wurde meistens das zugehörige Joch mit verkauft, denn August hatte das Ding gut angepasst.

War das Joch dem Zugtier zum Fahren angeschnallt, wurden die Arme der Gabeldeichsel durch die beiden äußeren, großen Ringe geschoben und mit Stroppnägel befestigt. Die Nägel hatten verschiedene Formen und waren mit einer Kette am Joch befestigt. Bei dieser Bespannung war es dem Zugtier nicht möglich, den Kopf seitlich zu bewegen. Vielfach waren diese Vorkopfjoche auch mit Lederkissen oder ähnlichen ausgepolstert. Hierdurch sollten die Auswirkungen der Deichselschläge auf den Kopf des Tieres vermindert werden. Dies war leider nicht immer so. Auch das Doppeljoch, was zwei Rindviehschädel beim Ziehen starr miteinander verband, war für die Tiere nicht angenehm. So bedeutete das Joch auch,,Das Sinnbild der Knechtschaft“.

Etwa um 1930 schaffte man diese Form der Joche ab, die häufig mit reichen Schnitzereien versehen und zum Teil auch farbig ausgestattet waren. Es wurden für die Tiere bequemere Joche, oft auch aus Leder, hergestellt. Die Tiere wurden nun im Zugschwengel mit Ketten angespannt und die Beweglichkeit des Kopfes war gegeben, aber auch die Deichselschläge gegen die Stirn des Tieres entfielen.

Für seinen Freund Schrinnersch August aus Helberhausen, der mit einem Rind zur Ausstellung nach Wiesbaden wollte, hatte der letzte Kuhjochschnitzer einst ein ganz besonders schönes Joch mit Messingbeschlägen und viel Schnitzereien angefertigt. Als der Helberhäuser stolz mit dem ersten Ehrenpreis zurückkehrte, fragte ihn Königs August: ,,Sae moal, wie konnst du op dat schäppije Dier da en Ehrenpreis krijje?’’ Die Antwort war: ,, Enjoa dat es schwing verzaalt, die Preisrichter ha gar net ob dat Rind geguckt, die soue nur dat schürne bunde Kühjoch!’’

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