Bahnbau

Bau der Sekundärbahn von Creuzthal nach Hilchenbach

Bereits bei der Planung der Ruhr-Sieg Eisenbahntrecke, in den 1840er Jahren wurde eine Ostverbindung Richtung Marburg zur Diskussion gestellt. Die Verbindung Altenhunden - Marburg war zu kostspielig und wurde nicht weiter verfolgt. Zur Entscheidung blieben nun noch zwei in Betracht kommende Linien bestehen. Die eine führte durchs Siegtal über Netphen, Walpersdorf nach Laasphe, die andere ging durchs Ferndorftal über Hilchenbach, Lützel nach Erndtebrück. Es war kein Geld aufzutreiben und somit rückte die Anbindung ans Wittgensteiner Land in weite Ferne.

Das Ferndorftal mit seiner zahlreichen Industrie gab sich mit dieser Entscheidung nicht zufrieden. Der Dahlbrucher Fabrikant August Klein scheute keine Mühe und ließ 1870 das gesamte Frachtaufkommen dieser Gegend erfassen und eine Rentabilität über die Strecke Kreuztal - Hilchenbach errechnen. Er kam zu dem Ergebnis, dass täglich etwa 30 Waggons auf- und abwärts bewegt werden müssen (siehe

Frachtaufkommen - Berechnungen über die Rentabilität einer Eisenbahn Kreuztal-Hilchenbach um 1870

beiliegende Auflistung). Da die Linie rentabel war wurde ein Antrag zum Bau dieser Linie gestellt. Die Strecke wurde 1876 vermessen und die Baukosten mit 952.179,50 Mark beziffert. Wer nun glaubte, mit dem Bahnbau würde begonnen, sah sich getäuscht, denn es wurden keine Mittel von der Landesregierung zur Verfügung gestellt.

In Hilchenbach wurde nun eine Aktiengesellschaft, die ,,Creuzthal-Hilchenbacher Eisenbahngesellschaft’’ gegründet. Ihre Statuten wurden 1881 verabschiedet mit dem Ziel, die Bahn von Kreuztal nach Hilchenbach zu bauen. Die Stamm - Actie betrug 500 Mark. Der Inhaber solcher Aktien war entsprechend mit Gewinn bzw. Verlust an der Bahnlinie beteiligt. Eine große Anzahl Aktien war in kurzer Zeit gezeichnet. Die Gebrüder Klein Dahlbruch kauften im Februar 1881 für 150.000.- Mark und die Stadt Hilchenbach für 60.000,- Mark Aktien. Hierdurch sah man, dass diese Gesellschaft fest entschlossen war, wenn keine staatliche Hilfe kam, eine Privatbahn zu bauen.

Nun regten sich auf einmal hohe Instanzen und nahmen mit der Aktiengesellschaft Verbindung auf. Der Grund war, dass diese Bahnstrecke nicht privat; sondern besser als Staatsbahn gebaut würde. Es wurde ein Vertrag geschlossen, der vorsah, dass das Hilchenbacher Komitee die Grunderwerbskosten von 100.000,- Mark übernahm. Die Gesellschaft verpflichtete sich, die Linie nach erteilter Konzession zu bauen und mindestens zwei Züge für Personenverkehr in jede Richtung fahren zu lassen. Am 31.08.1881 unterzeichnete in Berlin König Wilhelm von Preußen die Urkunde für den Bau dieser Strecke mit der Auflage, dass sie

Stationsgebäude  in Ferndorf um 1915 mit verziertem Giebel und ornamentaler Beschieferung

spätestens nach zwei Jahren in Betrieb sein muss.  

Mit der Linienführung gab man sich seinerzeit nicht viel Mühe. Man verlegte die Gleise von Ferndorf nach Hilchenbach einfach neben die Provinzialstraße, die heutige B508. Die Gleise überquerten in Ferndorf die Straße und liefen bis Dahlbruch auf der linken Seite. Kurz nach dem Dahlbrucher Bahnhof verlief der Strang bis nach Hilchenbach  rechts der Straße. Von einigen nahestehenden Häusern wurde in Ferndorf das Strohdach, auf Kosten der Eisenbahn, in ein feuerfestes Dach ersetzt. In Ferndorf, Dahlbruch und Hilchenbach sind neue Bahnhöfe errichtet bzw. eingerichtet worden. Ferndorf musste 5.000,- und Dahlbruch 8.000,- Mark für die Einrichtung der Bahnhöfe bezahlen müssen.

In Hilchenbach entstand bereits 1883, dank der großen Unterstützung der Stadt Hilchenbach, ein sehr eindruckvolles Stationsgebäude. Bevor die Bahn 1887 nach Erndtebrück weiter gebaut wurde, war Hilchenbach der Umschlagplatz für die Fuhrleute aus Wittgenstein. Der Hilchenbacher Bahnhof hatte seinerzeit einen Lokschuppen mit Lokstation, eine Kohlestation und bis 1937 eine Wasserstation. Es waren damals zwei Lokomotiven der Baureihe T3 stationiert, die zum Schiebedienst nach Lützel verwendet wurden. Die Königliche Bahnmeisterei Hilchenbach war eine Dienststelle erster Klasse und hatte 1907 ca. 30 Beschäftigte.

An der Strecke wurde weiter in Stift Keppel eine Haltestelle und in Lohe und Allenbach lediglich Verladestellen errichtet. In Dahlbruch kam die erste ,,Locomotive’’ am 15.01.1884, drei Tage später meldete auch Hilchenbach das Eintreffen der ersten Lok. Die Steckenabnahme erfolgte am 25.01.1884 durch die Landesbahnpolizei.

Am 1. März 1884 wurde die Eisenbahnlinie Kreuztal - Hilchenbach feierlich eröffnet. Mit der ersten Fahrt ist auch der Abschied der Postkutsche aus dem Ferndorftal gekommen. Denn am Vorabend der Eröffnung sind zum letzten Mal die Töne des Posthorns erklungen. Der erste Zug fuhr um 2:05 Uhr reichlich beflaggt und mit Kränzen geschmückt von Kreuztal ab. Er wird in fast jedem Ort mit Bollerschüsse begrüßt. In Dahlbruch  wurde der Zug, in dem viele Ehrengäste waren und unterwegs einstiegen, von der Jugend mit Gedichten und Gesang herzlich begrüßt. Aber auch Bergleute aus Müsen hatten in ihrer Knappenuniform Aufstellung genommen und den ersten Zug zünftig begrüßt. Man hatte zwischenzeitlich erkannt, dass bessere Transportbedingungen auch für den Müsener Bergbau notwendig waren. Vergessen waren die langen und schwierigen Verhandlungen der Gemeinde

Bahnhof in Dahlbruch um 1950, der auf Kredenbacher Gemarkung steht

mit der Bahndirektion, die Dahlbruch keine Bahnstation zugestehen wollte.

Noch nicht vergessen hatte man damals, dass die Müsener es waren, die die Bahntrasse von Siegen nach Hagen, welche 1857 über Müsen - dem damaligen Industriezentrum des nördlichen Siegerlandes - geplant war, mit viel Aufwand, aber Erfolg verhindert hatten. Mit dieser Ablehnung hatte man, wenn auch ungewollt, die Beerdigung der Hütten und Hämmer im oberen Ferndorftale und im Rothenbachtal eingeläutet. Aber auch der berühmten Grube Stahlberg in Müsen wurden durch diese Ablehnung enorme Wettbewerbsschwierigkeiten aufgebürdet. 

In Ferndorf war das Interesse an der neuen Bahn nicht so groß wie in Dahlbruch und Hilchenbach, denn in diesem Ort  waren seinerzeit viele Fuhrunternehmen zu Hause. Durch die Eröffnung der Eisenbahnlinie wurden in Ferndorf vorübergehend 80 Personen arbeitslos.

Gleich 1884 wurde, nachdem man das Sterben der Hütten und Hämmer im oberen Ferndorftal wegen fehlender Eisenbahnverbindung erlebt hatte, ein Schmalspurschienenstrang von Müsen zum Dahlbrucher Bahnhof in Betrieb genommen. Die Stahlberger Grubenbahn transportierte auf diesen Gleisen die gewonnenen Erze von den Gruben Stahlberg und Wilder Mann über den Bocherich und dem Hüttenweg zum Bahnhof. Die Wagen wurden hier auf eine hölzerne Rampe gezogen und in Güterwagen gekippt. Das Bähnche bzw. Juggelche wie es auch im Volksmund genannt wurde, machte 1931, mit Stilllegung der Grube Stahlberg, die letzte Fahrt.

Die Bahnlinie Kreuztal - Hilchenbach und zurück wurde anfänglich von vier Zugpaaren befahren. Ihre Geschwindigkeit betrug etwa 15 km die Stunde. 1880 sollte geprüft werden, ob die Geschwindigkeit auf den Straßenstrecken auf 20 km/h erhöht werden kann. Im Auftrag des Regierungspräsidenten wurde eine Prüffahrt durchgeführt. Danach wurde die Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h festgesetzt. Die Bahnlinie brachte für das Ferndorftal einen gewaltigen wirtschaftlichen Aufschwung.

Der Verkehr auf Straße und Schiene nahm immer mehr zu. Es erwies sich bald, dass es nicht gut überlegt war, die Bahngleise von Ferndorf bis Hilchenbach neben die Straße zu legen. Beim Herannahen des Zuges war zu beobachten, dass Fuhrwerke, zum Schutz gegen das Scheuwerden der Tiere schleunigst in eine Nebenstraße fuhren, oder dass die Insassen von Droschken vorübergehend ausstiegen. Eine weitere Gefahr war, dass die Dampfrosse schon mal Ströme von glühenden Kohlen aus dem Schornstein jagten. So ging damals ein Wagen voll Korngaben in Flammen. Da die Chaussee kein Trottoir und keine Straßenbeleuchtung hatte und der Autoverkehr zunahm, häuften sich die Unfälle und man suchte eine Ausweichmöglichkeit. Als neue Trassierung wurde die südliche Hanglage des Ferndorftales vorgesehen. Die Begehung dieser neuen Strecke erfolgte am 20. März 1908. Die Kosten hiefür betrugen 2,4 Millionen Mark, worin auch die völlig neuen Bahnhöfe für Dahlbruch und Stift Keppel

Bahnhof in Hilchenbach um 1918

Allenbach waren.

Ein neues Problem entstand für Dahlbruch, es gab kein geeignetes Gelände für einen Bahnhof. Ein Bahnhof musste jedoch herbei, was auch inzwischen die Reichsbahn einsah, denn die Maschinenfabrik Gebr. Klein Dahlbruch war ein sehr bekanntes Unternehmen mit großem Umsatz. So wurde der neue Dahlbrucher Bahnhof auf Kredenbacher Gelände gebaut. Selbst heute - neun Jahrzehnte später - steht der Dahlbrucher Bahnhof immer noch auf Kredenbacher Gemarkung. Auch die Gebietsreform 1969 hat dies nicht bereinigt, es steht weiterhin ein Hilchenbacher Bahnhof auf Kreuztaler Territorium.

Eine Anbindung zum alten Bahnhof musste wegen dem ,,Bähnche’’, der Firma Klein und anderen Betrieben hergestellt werden. Aus diesem Grunde errichtete man einen über 20 Meter hohen Erdwall vom neuen Bahnhof rechtwinklig durchs Ferndorftal. Er stand wie ein Riegel in diesem Tal, mit einer Öffnung - die Brücke über die Ferndorf. Ebenfalls Fuß- und

Bahnhof in Dahlbruch im Jahr 1918 mit dem mächtigen Erdwall quer durchs Ferndorftal. Heute steht dort die Firma Eisenbau Krämer. Auf dem Erdwall verliefen Eisenbahnschienen, die die Industriebetriebe mit der Strecke Kreuztal-Hilchenbach verbanden

Fahrwege führten über diesen Damm.

Auch die Gleise über diesen Damm mussten später, da sich eine lebhafte Begegnung in beiden Richtungen entwickelt hatte, aus verkehrstechnischen Gründen weichen. Es wurde eine Verbindung schräg durchs Tal über einen zusätzlichen Erdwall vom neuen zum alten Bahnhof angelegt. An der heutigen SMS Demag Einfahrt für LKW etwa führten diese Gleise bis in die 60er Jahre über die B508 zum alten Bahnhof.

Der Dahlbrucher Bahnhof hatte in der Vergangenheit, aber auch noch heute, einen recht bedeutsamen Wagenladungsverkehr aufzuweisen. Im Jahre 1928 verkaufte der Dahlbrucher Bahnhof für 121.902 Personen Fahrkarten. Und der Versand der Wagenladungen war in diesem Jahr 39.304 Wagen. Um 1960 hatte der Bahnhof noch einen Wagenumlauf von monatlich 500 Wagen. In dieser Zeit wurden hier etwa 5.000 Fahrkarten verkauft. Im Gegensatz zu dem miserablen Zustand, wie der Bahnhof heute ist, war er einst ein Schmuckstück.

Längst sind durch Aufschüttung des Tales und nachfolgend durch Industrieaufbauten die mächtigen Erdwalle verschwunden. Stellt man sich allerdings auf eine der Brücken und schaut in die Tiefe zum Ferndorfbach, so kann man sich eine Vorstellung von den mächtigen Erddämmen machen, die einst das Ferndorftal durchzogen.

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