Johannismarkt

Johannismarkt vor 550 Jahren in Siegen

Am 24. Juni war Johannistag, auch einfach Johanni genannt. In christlicher Tradition wurde, an diesem Tag die Geburt Johannes des Täufers gefeiert. Die Heiden feierten um diesen Termin herum die Sonnenwende. In einigen Regionen wurden zu dieser Zeit große Johannisfeuer abgebrannt. Diese Sonnenwendfeiern gingen mit ihrem Feuerbrauchtum, unter anderem auch Feuerspringen und Feuerräder rollen, auf germanische Sonnenkulte zurück. Weiterhin markierte er das Ende der Schafskälte und läutete die Erntezeit ein. Außerdem wurden ab dem Johannistag die Tage wieder kürzer und die Nächte länger.

Das Johannisfeuer wurde erstmals im 12. Jahrhundert

Das Wappen der Stadt Siegen. Es geht aus dem Wappen des Siegener Stadtsiegels aus der Mitte des 13. Jahrhunderts hervor

erwähnt. Dem Volksglauben nach sollte das Feuer aber auch Dämonen abwehren. Einst war es Brauch, in der Johannisnacht in Flüssen und Seen schweigend ein Bad (Johannisbad) zu nehmen. Es sollte einen besonderen Schutz gegen Krankheiten geben. Früher glaubte man auch, dass der Tau der Johannisnacht (Johannistau) voller Kraft und Segen gewesen sei.

Viele Bräuche und Sitten könnte man noch erwähnen. So endete auch die Spargel- und Rhabarber-Erntezeit am 24. Juni. Aber auch die Jahrhunderte alten Johannismärkte, so auch der in Siegen, waren an diesem Tag. Lasst uns doch einmal 550 Jahre zurückschauen und uns den Johannismarkt von 1467 in Siegen etwas näher betrachten. Der Autor, Hermann Böttger, schrieb 1467 im Jahre des Heils was von dem lateinischen Anno Salutis kam. Im Jahre des Heils war eine bis zum 18. Jahrhundert verwendete Formel für die Jahresangaben, so wie heute anno.

Die Lohernte in den Haubergen hatte

Ein Blick auf die Oberstadt Siegen. Links die Marienkirche, in der Mitte die Nikolaikirche mit dem Krönchen. Im Hintergrund sind Gebäude der Universität zu sehen (Foto: Bob Ionescu)

reichen Ertrag gebracht. Einer der wohlhabenden Haubergsgenossen, Gerhard Böcking aus Eisern, hatte die Lohe an den Lohmühlenbesitzer Heidenreich Löhr in Siegen verkauft. An Ferndorf und Sieg waren neue Blashütten gebaut worden. Deswegen mussten für die Blasebälge und die langen Schürzen der Massenbläser und Hammerschmiede viele Felle gegerbt werden, so dass Böcking einen guten Preis erwartete. Auch das Heu war in diesem Jahr früher als sonst trocken eingebracht worden.

Böcking beschloss am kommenden Johannistag seinen Geschäftsfreund aufzusuchen, um das Geld in Empfang zu nehmen. Er wollte natürlich auch den Markt mit den vielen Sehenswürdigkeiten besuchen. Er wäre kein echter Siegerländer gewesen wenn ihn der große Johannismarkt nicht angezogen hätte. Auch hoffte er alte Bekannte aus Stadt und Land zu treffen und mit ihnen einen guten

Sankt-Michael-Kirche (kath.) am Kampen in Siegen. Fotografiert von der Aussichtsplattform am Oberen Schloss (Foto: Bob Ionescu)

Trunk zu nehmen.

Der Johannismarkt übte seinerzeit eine sehr große Anziehungskraft aus. Deswegen schritten am frühen Morgen des 24. Juni sehr viele Personen nach Siegen. Nach etwa einstündiger Wanderung hatte die aus Eisern kommende Schar den Sattel zwischen Hamberg und Häusling erreicht. Vor ihnen lag in der Morgensonne die Bergstadt Siegen. Rauch stieg aus einer Blashütte in den blauen Himmel empor. Der Blick fiel weiter auf die Stadtmauer mit ihren Wachtürmen. Über den Stroh gedeckten Häusern am Markt ragte der erst vor kurzem vollendete Turm der Nikolaikirche hervor.

Alle drängten weiter zu den Herrlichkeiten des Johannismarktes. Nur Böcking musste sich von seinen Sorgen des Freudentages befreien. Ja, es fehlte dem Lande der strenge und gerechte Herr. Unten rechts sah man die alte

Historische Stadtbefestigung in Siegen. Künstlerische Darstellung des ehemaligen Löhrtores im Zustand von etwa 1850. Ansicht von der Stadtinnenseite (Gemälde des Kunstmalers Wilhelm Scheiner)

Gerichtslinde. Noch vor wenigen Wochen hatte dort das Gericht unter dem Hain, dem Böcking als Schöffe angehörte, getagt. Es ging immer um Klagen der unterdrückten Landsleute, gegen Philipp von Bicken. Seit Jahren war dieser mächtige Edelherr der Besitzer von der Wasserburg Hainchen. Da der Graf in den Niederlanden war, hatte Philipp die Gelegenheit genutzt, seinen reichen Besitz an Höfen in vielen Dörfern noch weiter auszudehnen.

Neues Siegufer am Abend in Siegen im Panoramablick (Foto: Karl-Heinz Althaus)

Böcking trennte sich von der Masse seiner Begleiter und ging nach Heidenreich um seine Geschäfte abzuschließen. Heidenreich wohnte außerhalb der Stadtmauer in der Nähe seiner Lohmühle. Den ledernen Beutel gefüllt mit rheinischen Gulden ging er eine halbe Stunde später auf das Wetzlarer Tor zu. Dieses nannte man neuerdings Löhrtor, da sich viele Löher hier angesammelt hatten. Hier war das Gedränge sehr groß, denn die vielen Wagen, die durch das enge Tor fuhren, wurden von den Stadtwächtern streng geprüft.

Die Karren enthielten wertvolles Kaufmannsgut was unter den Leinwanddecken verborgen war. Wagen und Fußgänger zogen dicht gedrängt die schmale Löhrstraße hinauf. Die Wagen wurden alle auf der Stadtwaage gewogen, die am Rathaus stand, wo auch der Zoll gezahlt werden musste. An Holz-, Fachwerkhäusern und gewerblichen Betrieben, die mancherlei Handwerkszeichen an ihren Häusern hatten, ging es vorbei. Wegen der Menschenmassen flogen Gänse und Hühner umher. Das Vieh, das an diesem großen Festtage nicht auf die Hude

Die Nikolaikirche mit dem Krönchen bei Nacht (Foto: Matthias Böhm)

hinaus getrieben worden war, blökte in ihren Ställen. 

Eine rote Fahne wehte am Rathaus, es war das Zeichen, dass die Verkäufer Marktrecht hatten. Wer den Marktfrieden brach, wurde hart bestraft. In Krambuden auf Ständen, Tischen und Bänken des Rathauses vor der Kirchentreppe waren die Waren ausgelegt. Kannengießer, Löher, Weißgerber, Gürtelmacher, Wollweber, Leineweber, Pfannenschmieder, Schuhmacher, Schneider und weitere Handwerker zeigten, was der Fleiß des Bürgers geschaffen hatte. Bäcker, Krämer und Fleischer waren besonders umlagert, denn sie zeigten leckere Bissen. Aber auch Spielleute mit Sackpfeife oder Geige waren anwesend. Ihre waghalsige Kunst zeigten auch Seiltänzer und Gaukler vor einer staunenden Menge. Fahrendes Volk brachte in Reimen Kunde von Krieg und Pest sowie von der Wasser- und Feuersnot.

Mehrere Stunden brauchte Böcking für seinen Rundgang über den Heu-, Stech- und Roßmarkt, sowie über Salz- und Buttermarkt zu gehen. Besonders eng wurde es

Siegen um 1850 nach einer Radierung von Eduard Weber

zwischen dem Klubb auf der einen Seite sowie Nikolaikirche und dem Rathaus auf der anderen Seite.  

Mittlerweile senkte sich die Sonne tiefer, die große, rote Fahne am Rathaus wurde eingezogen und die Abendglocke von St. Nicolaus läutete den Markt aus. Die Marktleute hatten bereits ihre Wagen geschirrt. Auch Böcking machte sich auf den Heimweg, denn mit dem Beutel voller Gulden wollte er noch vor Dunkelheit zu Hause sein. Er wusste aber auch, dass seine Frau und die Kinder sehnsüchtig auf etwas Mitgebrachtes vom Markt warteten, was sie strahlend in Empfang nahmen.

 

 

Quellennachweis:
Eva Monning – Der Johannistag : Entstehung und Bedeutung
Wikipedia -  Anno Salutis
Hermann Böttger – Auf dem Johannismarkt und in der Herberge zum Heiligen Geist
Knaurs - Lexikon
Wikipedia - Johannitag

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