Wasserkraft

Die Wasserkraft brachte den Fortschritt

Die Nutzung der Wasserkraft brachte dem Siegerland einen gewaltigen wirtschaftlichen Aufschwung. Im 9. Jahrhundert nach Christi Geburt nutzte man das unterschlächtige Wasserrad. Etwa fünf Jahrhunderte später kam die Nutzung des oberschlächtigen Wasserrades, welches in unserem hügeligen Siegerland am besten geeignet war und am meisten vorhanden war. Hierbei wurde nicht mehr die Bewegungsenergie des Wassers, sondern sein Gewicht genutzt (1) und dieses war für die Siegerländer Wirtschaft eine enorme Verbesserung. Die Wasserkraft war damit zur wichtigsten Energiequelle geworden.

Eisenerz, Holzkohle oder Hangaufwind bestimmten bisher den Standort der früh mittelalterlichen Eisenschmelzen, die im höheren Gelände lagen. Nun wanderten die Waldschmieden

Oberschlächtiges Wasserrad. Bleistiftzeichnung von Bernhard Setzer, Müsen, aus dem Jahre 1890

zur Wasserkraft an die größeren Bäche in die Täler hinab. Das Siegerland wurde durch diese Standortänderung zur Talindustrie gemacht. (2) Tausende Wehre, Staudämme und Wassergräben wurden hierdurch einst im Siegerland angelegt. Nun wurde neben Menschen und Tieren, die noch viel größere Kraftquelle, die Wasserkraft genutzt. Durch diese Energiequelle wurde einst das bäuerliche und industrielle Leben im Siegerland etwas erleichtert.

Der Hinabstieg von den Bergen in die Flusstäler musste sich im Siegerland schon im 13. Jahrhundert so langsam vollzogen haben. Zuerst waren es hier die Mühlen, die die Kraft des Wassers durch Wasserräder nutzten. Aber auch die Eisenindustrie nutze schnell diesen Vorgang. So ist die erste urkundlich erwähnte Hütte ,,mashutte uff der Weste“ bereits 1311 erwähnt worden. Dieses heißt ,,Massenhütte am Weisbach“. Es war ein linker Nebenfluss der Sieg. (3) Wahrscheinlich war es die Vorläuferin der späteren Marienborner Eisenhütte östlich von Siegen.  

Die Wasserkraft spielte bei der Eisenverhüttung eine ganz wichtige Rolle. Die alten Schmiede und Hüttenleute verstanden es, diese für ihre Hämmer und Hütten geschickt auszunutzen. Oft waren längere Zulaufgräben am Berghang entlang erforderlich um genügend Aufschlagwasser für das Wasserrad zu bekommen. Der Obergraben war der Zulauf für das Wasserrad und im Untergraben wurde es wieder zum Bach zurückgeführt. Mit großen Wasserrädern wurden die Blasebälge, die zunächst aus einem Holzrahmen der mit

Unterschlächtiges Wasserrad beim Rheinfall in Neuhausen (Schweiz)

Tierfellen bespannt war, angetrieben. Man hatte nun zur Verhüttung genug Wind und führte ihn zum Blasofen. Als später der Wind erhitzt wurde, konnte man eine höhere Temperatur noch schneller erreichen.

Die jährliche Niederschlagsmenge Regen von 900 bis 1200 mm im Siegerland stellte durch die jahreszeitliche Verteilung eine nicht immer gleichbleibende Wasserkraft zur Verfügung. So gab es in den wasserarmen Monaten August – September die sommermüßige Zeit, dagegen brachten die Gefriermonate Januar und Februar die wintermüßige Zeit. Es waren die Zeiten, in denen nicht gearbeitet wurde. Dieses wurde alles und noch vieles mehr in Satzungen sauber festgehalten. 

Das Eisengewerbe wurde im Siegerland von jeher stark belastet wegen dem großen Bedarf an Holzkohle. Durch die genutzte Wasserkraft, die alles viel größer und leistungsstärker erschienen ließ, wurde der Bedarf an Holzkohle erheblich vergrößert. Um eine Übereinstimmung mit der Eisenindustrie, dem Kohleverbrauch und den Wasserkräften zu erhalten, wurde die Hütten- und

Aufwerfhammer mit Wasserrad und Hammerkopf vom Halbachhammer im Ruhrmuseum. Der Hammer stand seinerzeit in Weidenau

Hammerordnung von der Landesregierung herausgegeben. Um 1800 benötigte man im Siegerland circa 12.000 Wagen Holzkohle. (4) Diese enorme Menge konnte im Siegerland, obwohl überall die Meiler rauchten, nicht hergestellt werden, so dass noch etwa 7,000  Wagen aus den waldreichen Nachbargebieten Wittgenstein und Olpe eingeführt wurden. Deswegen begegnen uns auch heute noch die Namen Eisen- und Kohlenstraße. Um ein Zentner Holzkohle herzustellen, benötigte man seinerzeit fünf Zentner Kohlholz. Die 15- bis 17 fache Gewichtmenge Kohlholz wurde benötigt um ein Zentner Eisen zu erzeugen. (5)

Durch die Wasserkraft wurden die Gebläse und somit die Betriebe enorm vergrößert. Es kam zu einer Arbeitsteilung einer räumlichen Trennung der Hütten und zwar in Blashütten und Hammerhütten. Wegen dem Gebläse wurde die eine Hütte Blashütte genannt. In ihr wurde aus Eisenstein Roheisen hergestellt. Dann gab es noch die Massenhütte, die einen Stückofen hatte, der Schmiedeeisen erzeugte. Das fertige Produkt wurde Stück bzw. Maß, später auch Massa genannt, daher auch der Name Massenhütte.

Altes Wasserrad des Frohnauer Hammer in Annaberg-Buchholz

Die Männer, die in all diesen Hütten arbeiteten wurden Massenbläser genannt. Die Hütten, die einen Wasserrad – Aufwerfhammer hatten, nannte man Hammerhütten. In ihnen wurden das Roh- sowie das Schmiedeeisen verarbeitet. Der Aufwerfhammer hatte ein Gewicht von 330 bis 350 kg und in der Minute 65 bis 70 Schläge. (6) Die Zünfte der Stahlschmiede, Massenbläser und Hammerschmiede waren die bedeutendsten im Lande und hatten großes Ansehen.

Aus dem Rentbuch des Amtes Siegen für das Jahr 1417 geht hervor, dass es bereits 25 Eisenhütten gab (7). Die Zahl stieg 1444 auf 35, darunter waren 8 Hammerhütten. Durch eine Urkunde vom 31. Januar 1452 belegt, ist das älteste erwähnte Eisenwerk der Buschhüttener Eisenhammer, der im adeligen Besitz war. Dieses geht aus einer Festschrift 500 Jahre Buschhüttener Eisehammer hervor. 13 Blashütten und 12 Hammerhütten waren in den 40 Eisenwerken, die 1463 aufgeführt worden, sind enthalten. (8) Paul Fickeler hatte 1951 eine Karte entworfen, worauf alle Hütten und Hämmer im 15. Jahrhundert vorhanden waren. Auf dieser Karte sind zahlreiche Hütten zwischen Geisweid und Siegen zu sehen, so dass der Name Hüttental schon zutreffend war. Auch viele Ortsnamen, in denen der Name Hütten enthalten war, sind zu jener Zeit entstanden. Überall wo Erz geschürft wurde, konnte man auf dieser Karte erkennen, denn in Ihrer Nähe hatten sich die Hütten und Hämmer an den Flussbetten angesiedelt.

Holzkohle und Wasserkraft beherrschten Jahrhunderte lang den Werdegang der Siegerläder Eisenindustrie. Die Hütten- und

Ein Mühlrad erinnert an die große Mühlentradition in Langenholdinghausen

Hammerordnung musste streng eingehalten werden. So nahm ihre Zunft damals nur gebürtige Siegerländer auf, die ihr Berufsgeheimnis zu wahren hatten und nicht außerhalb des Landes zu betreiben oder zu lehren. Gemeint war natürlich das Siegerland. Es war verboten, Kohle auszuführen, einen Ausländer als Lehrling einzustellen sowie das Eisen in fremde Länder zu verkaufen. Die Landesherren unterstützten das Bestreben der Zünfte großartig. In einer Eingabe an den Grafen 1553 verlangten die Massenbläser sowie die Stahl- und Hammerschmiede die Verringerung der Viehhaltung zur Schonung des Gehölzes. Es sollte der reiche Mann höchstens vier und der arme zwei Kühe halten. Hierbei ließ sich erkennen, dass die Holzkohle immer noch Mangelware war. Eine Viehzählung im Jahre 1563 ergab, dass auf jeden Einwohner ein bis drei Kühe kamen. Es gab seinerzeit also Fleisch im Überfluss. (Otto Krasa)

Die alten Eisenwerke hatten einst nur einen oder wenige Besitzer. Durch ihre Vergrößerung wurde auch die Zahl der Besitzer vergrößert. Sie nannten sich Gewerkschaft und die Inanspruchnahme war genau geregelt. Alles war im Gesamteigentum der Gewerkschaft. (9) Jeder Gewerke hatte aber die eigenen Hütten für Holzkohlen, Eisensteine und Gerätschaften. Er arbeitete nur die Hütten- oder Hammertage, die ihm zustanden auf eigene Rechnung. Diese Arbeitsweise wurde dann offiziell im Jahre

Bereits 1452 wurde in Buschhütten, wo heute die Firma Achenbach steht, der “Buschhütter Eisenhammer” errichtet

1616 eingeführt. Diese wirtschaftlichen Verhältnisse hatten sich in dem alten Eisenland, dem Siegerland bis 1861 gehalten. Denn mit Eröffnung der Sieg-Ruhr-Eisenbahn wurde die alte Hütten- und Hammerordnung durch neuzeitliche Entwicklungen aufgehoben. 

Alle diese Auflagen und Einschränkungen, die sie sich gegeben hatten, bremste natürlich die Entwicklung. Dieses wurde bald erkannt, sie öffneten sich und so verkauften Raitmeister, es waren die Händler, den Siegener Qualitätsstahl nach Frankfurt, Köln, Worms und weiteren Städten. (10)  Wer den Stahl geschmiedet hatte, konnte man zurück verfolgen, denn das Zeichen der Herstellmeister war eingeschlagen. Gegen Ende des 18. Jahrhundert besaß das kleine Siegerland eine blühende Eisenindustrie, die jeden fremden Fachmann in Erstaunen versetzte. J. P. Becher, einer der besten Kenner seinerzeit, hatte Worte höchster Anerkennung für dieses Eisenland. (11)

 

 

Quellennachweis:
1. Wikipedia -  Wasserkraft
2. Paul Fickeler – Die Siegerländer Wirtschaft zur Wasserkraftzeit
3. Otto Krasa – Vom Windofen zum Hochofen
4. J. P. Becher – Mineralogische Beschreibung …..
5. Paul Fickeler – Das Siegerland
6. Paul Fickeler – Achenbach Buschhütten Festschrift
7. H.Schubert – Geschichte der Nassauischen Eisenindustrie…..
8. H. Schubert – Geschichte der Nassauischen Eisenindustrie …..
9. K. Ley – Zur Geschichte und ältesten Entwicklung …..
10. H. Achenbach – Aus des Siegerlandes Vergangenheit
11. J. P. Becher – Mineralogische Beschreibung
 

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