Die Pest wütete

Die Pest wütete im oberen Ferndorftal

Die uralte Geißel der Menschheit, die Pest kommt vom lateinischen Wort ,,pesti’’ mit der Bedeutung ,,ansteckende Krankheit – Seuche’’. Seit der Antike sind Pestepidemien mit verheerendem Ausmaß auch in Europa immer wieder aufgetreten. Am schrecklichsten in den Jahren des ,,Schwarzen Todes’’ von 1347 bis 1352, als nach Schätzungen in Europa etwa 25 Millionen Menschen dahingerafft worden sind. Es wird bestimmt auch im oberen Ferndorftal Opfer gegeben haben, worüber es jedoch keine Aufzeichnungen gibt. Aber als gegen Ende des 16. Jahrhunderts, der böse Feind der Menschen, die Pest, ins Ferndorftal einfiel und viele Familien in tiefe Trauer versetzte, haben wir Niedergeschriebenes.

Im August 1597 brach die Pest zuerst in Ernsdorf aus, ohne jedoch großes Unheil

Diese Miniatur aus der Toggenburger Bibel (14. Jahrhundert) zeigt ein an der Beulenpest erkranktes Paar

anzurichten. Nachdem sie besiegt war, trat sie erneut ein Jahr später im September sehr heftig auf. Ein Fuhrmann namens Krämer aus Dahlbruch brachte sie aus Köln mit. Schreckenserregend schnell breitete sich die Pest innerhalb kurzer Zeit im Kirchspiel Ferndorf aus. So starben nach Angaben des kirchlichen Totenregisters vom 12. Juli bis zum 31. Dezember 1599 im Ferndorfer Kirchspiel 125 Personen an der Pest.

Danach hatte man die Seuche eine Zeitlang einigermaßen im Griff. Aber im Jahre 1621 setzte das Peststerben von neuem ein. Es war so verheerend, dass die Toten nicht mehr alle auf dem Kirchhof, dem Platz um die Kirche, wie es damals üblich war beigesetzt werden konnten. Man beerdigte sie nun oft in der Nähe des Trauerhauses auf ihrem Eigentum. Die Sterberate war so groß, dass in Dahlbruch die Familien Stahl und Wagner vollständig ausstarben. Bei diesem Massensterben wurden die Todesfälle den Pastoren nicht mehr alle gemeldet, so dass die Eintragungen in die Kirchenbücher unvollständig waren.

Die Seuche blieb im Kirchspiel Ferndorf gegenwärtig, mal mehr und mal weniger stark. Besonders schlimm war sie in der kleinen Gemeinde Schweißfurth. Von April bis Dezember 1633 waren 24 Personen und von August bis Ende des Jahres 1634, 42 Menschen an der Seuche verstorben. Anno 1635 starben sogar aus einem Hause fünf Personen. Das Totenbuch der Ferndorfer Kirche verzeichnet im Jahre 1636 alleine 126 an Pest Verstorbene.

Ebenso grauenvoll wütete der Schwarze Tod auch im Hilchenbacher Kirchspiel. Es wurde besonders in den Jahren 1635 und 1636 davon heimgesucht. So starben vom 19. Januar 1635 bis zum 16. Januar 1636 an der Pest 393 Personen. Wie erbarmungslos dieser Tod zuschlug, sollen zwei Beispiele aus Ruckersfeld zeigen: So wurden am 26. Juli 1635 aus einem Hause, dem Friedrichshaus, vier Personen und am 30. August desselben Jahres aus einem anderen Haus, dem Göbelhaus, ebenfalls vier Personen zusammen am gleichen Tage begraben.

Auch der Hilchenbacher Pfarrer Quitter wurde ein Opfer der Seuche und starb am 16. Januar 1636. Aus diesem Grund werden wohl auch eine Zeitlang die Eintragungen in dem Sterbebuch von Hilchenbach fehlen. Der Nachfolger in diesem Amt wurde sein Bruder, der drei Kinder durch die Pest verloren hat. Er war der dritte Pfarrer in Hilchenbach mit Namen (Henrich) Quitter. Das lückenhafte Hilchenbacher Sterberegister enthält leider nicht alle Personen, die 1636 an der Pest verstorben sind.

Im Totenbuch war eine Lücke vom 15. Juli bis zum 16. Oktober 1636. Hierbei stand folgendes, in deutscher Übersetzung statt des lateinischen Originals, vom Pfarrer Henrich Quitter geschrieben: ,,Danach habe ich an der schweren Pestkrankheit lange Zeit gelegen, in der die Namen der Verstorbenen nicht aufgezeichnet werden konnten. Auch blieb dieses Register zeitweilig vermisst infolge eines Einfalls und Bedrückung durch Soldaten (30jähriger Krieg.) In der Zwischenzeit sind viele in Christo entschlafen, deren Namen dieses Buch ebenfalls nicht enthält, weil sie von den Hinterbliebenen dem Pastor nicht angegeben wurden.’’

Die Bevölkerungszahl im oberen Ferndorftal betrug um 1600 nach groben Schätzungen etwa ein Zehntel von den hier heute lebenden Menschen. Folgende Einwohnerzahlen hatten verschiedene Ortschaften 1563 im oberen Ferndorftal: Ahr 36 (heute für viele Menschen kaum noch einzuordnen), Dahlbruch 36, Ernsdorf 143 (Kreuztal gab es damals noch nicht), Ferndorf 195, Merklinghausen 66 (längst vollkommen verschwunden) und Müsen 152 Personen. Wenn man diese geringe Anzahl von Bewohnern mit den Zahlen der Toten vergleicht, kommt einem erst richtig zu Bewusstsein, wie grauenvoll die Pest hier gewütet hat. Heute rechnet man im Durchschnitt etwa einen Toten pro 100 Einwohner im Jahr.

Nachdem diese schreckliche Seuche sich im Jahre 1636 noch einmal richtig ausgetobt hatte, verschwand sie und kehrte ins obere Ferndorftal glücklicherweise nie wieder zurück.

Druckversion (nur Text) als pdf-Datei zum herunterladen