Verlorener Sohn

Der ,,Verlorene Sohn“ kam aus dem Siegerland

Das der Siegerländer einst auch ein Andenken aus Eisen haben wollte war ganz natürlich. Denn sein Leben lang war er "Mensch im Eisen". So ist die älteste vorhandene Grabplatte im Kloster Marienstatt im Weserwald. Sie ist einem 1516 jung verstorbenen Geistlichen aus der alten Siegener Hüttenmeisterfamilie Pithan gewidmet worden (1). Eine weitere war 1523 für den Pfannenschmied Keller gegossen worden. Er sollte 96 Jahre alt geworden sein. Viele dieser Platten sind noch vorhanden geblieben, aber die meisten sind im 18. Jahrhundert rücksichtslos eingeschmolzen worden.

Die ältesten Siegener Ofenplatten sind wohl auch dieser Einschmelzwut zum Opfer gefallen. Dank des Marburger Professor

Eine gegossene Fußbodenplatte aus der alten Nikolaikirche zu Siegen mit den Namen der Stifter H.H. Klingspar und E. Klingsparin

Albrecht Kippenberger sind die gusseisernen Öfen heute zur kunstgeschichtlichen Betrachtung geworden. Den ältesten bekannten Ofen goss Gerhart Snytzeler 1486 in Siegen. Er hat ihn seinerzeit selbst nach Barabant gebracht. 1508 goss man einen Ofen für den Grafen von Waldeck, 1514 für das Kloster Schiffenberd bei Gießen und 1516 für Heinrich von Oranien-Chalons. Johann Pithan hatte 1553 einen fast elf Zentner schweren Ofen zur Burg Eltville geliefert (2).

Bis 1526 kaufte Hessen Öfen aus Siegen. In der Hütte vom Kloster Haina gossen die Hessen dann selber Plattenöfen nach Siegerländer Vorbild. Aber noch 1530 bezog das Schloss Weilburg einen Ofen aus Siegen. Auch in Belgien, Luxemburg und Frankreich kannte man früh gegossene Kaminplatten. Das einzige Land außer Deutschland, welches schon im 15. Jahrhundert Ofenplatten goss, war das uralte englische Eisengebiet der Grafschaft Sussex. 

Der Verein Deutscher Eisenhüttenleute in Düsseldorf hatte die schönsten Ofenplatten zu einer Sammlung zusammengestellt. Dem heutigen Betrachter machten sie genau so Freude wie Generationen vor uns, wenn man an kalten Winterabenden um dem warmen Ofen saß und die bildlichen Erzählungen aus der Bibel auf sich wirken ließ. Es war das Ölkrugwunder der Witwe von Zarpat oder die Hochzeit von Kana. Aber besonders das Gleichnis vom Verlorenen Sohn, den es in verschiedenen Abhandlungen gab.

Im Siegerland gab es Hütten, die ihre Öfen ,,Bibelöfen“ nannten. Oder nach dem beliebtesten Motiv einfach ,,Verlorener Sohn". In den Rechnungsbüchern stand dann manchmal: Nach Köln haben wir sechs verlorene Söhne geliefert. Wenn der Siegerländer seinerzeit

Auf diesen gusseisernen Ofen hatte Wolfgang Goethe als Knabe oft einen Blick geworfen

durch eine Krankheit ans Haus gefesselt war sagte er: ,,Ich bin so fest wies Männlein am Ofen." Es war in der Zeit als in jeder Siegerländer Stube noch ein gusseiserner  Ofen mit Figuren wohlige Wärme ausstrahlte. 

Auch Johann Wolfgang Goethe hatte als Knabe, in Frankfurt am Main am Hirschgraben, oft einen Blick auf solch einen Ofen. Aus Kacheln, die aus bleigeschwärztem Ton bestanden, war der obere Teil des Ofens. Der untere gusseiserne Kastenofen stammte aus dem Siegerland (3). Da die Kacheln mit VEST signiert waren und Johannes Vest von 1575 bis 1611 in Frankfurt nachweisbar war (4). Also musste der Ofen zu Goethes Zeit schon 150 Jahre alt gewesen sein.  Die Frontplatte zeigte die Hochzeit zu Kana. Eine Seitenplatte zeigte das biblische sogenannte Ölwunder. Es trug die Überschrift: ,,DAS OEHL GAR REICHLICH SICH VERMEHRT. DER SOHN VOM TODT ZUM LEBEN KEHRT. IM TODT SICH  GOTTES GUETH BEWEISSET. MIT WENIG BROTS VIEL MENSCHEN SPEISSET. Dieses Modell wurde oft gegossen und man fand es überall selbst in der USA auf Öfen eingewanderter Deutscher (5).

Sicherlich war der Ofen im Goethehaus nicht der einzige Ofen, der nach Frankfurt geliefert worden war. Im Stadtarchiv von Frankfurt lag ein dickes Aktenbündel, dass den Streit um einen Siegerländer Ofen als Inhalt hatte. Johann Dresler aus Siegen hatte 1587 den ebenfalls aus Siegen stammenden Conrad Pfender einen großen Stubenofen  für das Zunfthaus der Bäckerinnung geliefert. Die Bäcker behaupteten, Mängel an dem Ofen festgestellt zu haben und bezahlten den Ofen nicht. Somit zahlte auch Pfender nicht an Dresler. Als Pfender später in Siegen war, ließ ihn Dresler verhaften und eine Woche ins Schuldengefängnis stecken. Hieraus entwickelte sich ein Prozess, der im Gutachten darlegte, was für

Das herrliche zweiflüglige gusseiserne Portal zur Fürstengruft in Siegen

Ansprüche an einen guten Ofen zu stellen waren. 

Philipp Soldan aus Frankenberg im Hessen, der viel für die Siegener Hütten arbeitete, gehörte zu den bekanntesten Künstlern des Eisenplattengusses. Die Soldans waren Ahnen Goethes. Sie hatten das P im Schild und man weiß nicht ob, er mit Hans Pender aus dem Jahre 1538 identisch war. Dieser wurde 1539 am 25. November gräflich-nassauischer Büchsenmeister. Sein Name machte uns auf weiterem vorzüglichen Eisenguss aufmerksam. Er goss nämlich die Treppenstufen für den Umgang auf den Turm der alten Nikolaikirche zu Siegen. Die Schwelle trug die Inschrift: ,,Der Umbgang heiß ich, Hans Pender Zu Siegen Goes Mich 1542" (6).

Fürst Johann Moritz von Nassau-Siegen ließ 100 Jahre später 499 Platten als Fußbodenbelag für dieselbe Kirche gießen. Es war für die damalige Zeit ein gewaltiger Auftrag. Das Johanniterkreuz war auf allen Platten, denn der Fürst war Herrenmeister des Johanniterordens, Ballei Brandenburg, zu Sonnenburg bei Küstrin (7). Die schlichten aber sehr schönen Platten gossen Heydrich Pithan, Jakob Stauff, Johannes Kreuz uff der Sieg, Henrich Stähler underm Hayn und Hermann Daub. 80 Platten bezahlte der Fürst, den Rest die Bürgerschaft. Die Stifternamen wurden mit eingegossen. Es sind heute nur noch ganz wenige Platten vorhanden.

In  der Mittelachse der wunderbaren Parkanlage, in einem Wäldchen nahe der

Dieser Ofen steht im Siegerlandmuseum im Oberen Schloss. Durch unsere Heiztechnik vor Jahrzehnten wurden diese Öfen nicht mehr benötigt

Stadt Kleve am Niederrhein,  steht die gewaltige Tumba, die einst für den Fürsten Johann Moritz bestimmt war. Sie ist ein interessantes Zeugnis des alten Siegener Eisengusses. Gegossen wurde es von Hermann Pithan in Marienborn bei Siegen. Es ist geschmückt mit Wappen, Trophäen und Inschriften. Kurz vor seinem Tode änderte Johann Moritz sein Testament. Er wurde daraufhin, nachdem sein Leichnam nur kurze Zeit hier gelegen hatte, in Siegen im unteren Schloss in die Gruft beigesetzt, die er für seine Vorfahren und seine Familie bauen ließ.

Auch hier in dieser Gruft kann man die Kunst des Siegener Eisengusses an einigen Stellen betrachten. Ein Meisterstück von ganz besonderer Art ist die zwei flügelige Türe wegen des künstlerischen Schmuckes. Der von Holländischen Meistern aus dem Kreise um Artus Quellinus herzurühren scheint (8).

 

Literaturnachweis:
1. Die Geschichte des Eisens, Seite 209 von Otto Johannes
2. Der künstlerische Eisenguss, Seite 10 von Albr. Kippenberger
3. Das Goethehaus in Frankfurt am Main, Seite 6
4. Der Kunsteisenguss des Siegerlandes und dessen Meistern, Seite 86 von Albr. Kippenberger
5. Die Kunst der Ofenplatten, Seite 4 von Albr. Kippenberger
6. Der Gusseiserne Fußbodenbelag der Nikolaikirche in Siegen, Seite 96 von Hans Kruse
7. Vom Eisen, Seite 54 von Alfred Lück
8. Die Fürstengruft zu Siegen, Seite 15 von Alfred Lück
 

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