Wasserräder

Als die Wasserräder noch klapperten

Hunderttausende von Jahren und mehr mag es wohl gedauert haben, bis die Ferndorf ihr Bett gegraben und somit das Ferndorftal geschaffen hat. In Hilchenbach nahm sie verschiedene kleinere Bäche auf und wurde somit stärker. Diese Kraft benötigte sie auch, denn das mächtige Felsgestein zwischen Allenbach und Kredenbach musste sie durchbrechen. Sie durchbrach alle Felsbarrieren fast gradlinig. Was muss doch hierfür eine enorme Energie verschwendet

Alter Siegerländer Schwanzhammer - Der Hammer wurde durch eine von einem Wasserrad antetriebene Zapfenwelle angehoben und fiel dann herab auf den Amboss. Die Zapfenwelle und der mächtige Hammerhelm von etwa vier Metern Länge waren aus Holz

worden sein? In Allenbach vereinnahmte sie Breitenbach und Insbach und wurde wieder etwas größer. 

Das Tal, das die Breitenbach schuf, wird heute als Trinkwassertalsperre genutzt. Die Sperre versorgt weit mehr Menschen mit Trinkwasser als das Ferndorftal beherbergt. Die Ferndorf nahm noch mehr Bäche bzw. Rinnsaale auf. Mit Abstand aber der mächtigste und wasserreichste im Oberlauf ist die Rothenbach. Sie fließt rechtwinkelig auf die Ferndorf zu. Hierdurch entstand im Ferndorftal durch den Rothenbach eine große Öffnung. Das Tal wurde unterbrochen, es gab einen Bruch im Tal, einen so genannten Tahlbruch. Hieraus wurde auch der Ortsname Tahlbruch bzw. später Dahlbruch abgeleitet.

Zwischen diesen beiden Flüssen hat es vor geraumer Zeit gewaltige Machtkämpfe gegeben, wer nach Vereinigung die Führung übernimmt. Die Ferndorf ist schließlich Sieger geblieben. Hierdurch entstand ein großes Sumpfgebiet, das später zu einem sehr breiten Flussbett wurde. So ist es auch erklärlich, dass bis zum Bau der Wittgensteiner Straße (1830 bis 1834), die Straße durch das Ferndorftal sich nur zwischen Lohe und Hillnhütten splittete. Dieses Tal ist zum Teil in der Mitte des vorigen Jahrhunderts noch bis über 15 Meter aufgefüllt worden.

Ein weiterer Beweis, dass die Ferndorf hier sehr breit war, ist die Schweisfurth. So wurde ihr Name erstmals 1417 erwähnt, wo es hieß  ,,der hoff tzu Schweynsfort’’. Weiterhin wurden 1599 zwei Lehnsgüter aufgeführt, die im Besitz der

Haardter Aufwurfhammer zu Siegen im 17. Jahrhundert

Brüder Ludwig und Johann Schweis waren. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit hat dieser Hof, der im Besitz der Familie Schweis war, an einer seichten Stelle, einer Furt, der Ferndorf gelegen und so den Namen gegeben. Übrigens waren Hillnhütten, Schweisfurth und Lohe einst selbstständige Gemeinden.

Vor etwa 4000 Jahren durchstreiften Jäger diese Gegend und suchten nach Beute. Später waren es die nomadisierenden Hirtenvölker, die ihre Viehherden hier weideten und tränkten. Immer wieder spielte das Wasser eine große Rolle. Die Menschheit hatte sehr schnell erkannt, dass kein Leben ohne Wasser sein kann. Längst hatte man auch die Kräfte des Wassers erkannt und immer wieder versucht, sie zu nutzen.

Da in den Müsener Bergen viel Erz gewonnen wurde, das verarbeitet werden musste, ging man schon sehr früh zur Industrialisierung über. Hierzu benötigte man wieder Wasser und vor allen Dingen das Wasserrad als Antriebsmaschine. Diese Räder wurden von oben bzw. von unten angetrieben. Beim oberschlächtigen Wasserrad greift das strömende Wasser an der obersten Stelle des Rades an, das so durch das Gewicht des Wassers (potentielle Energie) angetrieben wird. Beim unterschlächtigen Wasserrad tauchen die Schaufeln  des Rads ins fließende Wasser ein und nutzen dessen Strömungsenergie.

Springen wir nun in die Jahre um 1800, wo auf einer Landkarte die Industriestandorte aufgezeichnet sind. Da gab es zunächst in Müsen drei Schmelz- und zwei Stahlhütten. Danach führten von einer Kreuzung drei gleichrangige Straßen in das Tal der Ferndorf, und zwar nach Lohe, Dahlbruch und Allenbach. Überall wo diese

Ein immer wieder faszinierender Anblick: das Wasserrad. Es war über 500 Jahre der Hauuptenergieträger des Siegerlandes. Im Bild sehen Sie ein oberschlächtiges Wasserrad, bei dem die Wasserkraft besonders effizient ausgenutzt wurde

Straßen, es waren zu jener Zeit nur unbefestigte schwer befahrbare Hohlwege, ins Ferndorftal mündeten, war wieder eine Schmelzhütte. Mehr Schmelz- oder Stahlhütte wurden zu jener Zeit im Ferndorftal nicht aufgezeichnet. Übrigens ist die älteste, urkundlich erwähnte Siegerländer Blashütte die Allenbacher von 1417.

Das gewonnene Eisen aus den Hütten musste weiterverarbeitet werden. Da der Transport in den holprigen Hohlwegen sehr schwer war, existierten hierfür allein in dem Tal von Haarhausen bis Ernsdorf (Kreuztal gab es zu dieser Zeit noch nicht) 11 Reck-, Eisen- bzw. Stahlhämmer. Sie wurden alle von großen Wasserrädern, durch den Strömungsverlauf meistens von unten angetrieben (unterschlächtige Wasserräder). Im weiteren oberen Verlauf der Ferndorf gab es schon die Pulvermühle in Helberhausen, die zum größten Teil den Sprengstoff für den Bergbau herstellte. Sie ist von oben angetrieben worden (oberschlächtiges Wasserrad). Dann gab es noch die Schneidemühle in Hadem, zwei Mühlen in Hilchenbach, und eine Ölmühle in der Sterzenbach, sonst waren keine weiteren Mühlen mehr vorhanden, bis zum – nennen wir es – Hammertal. Der Name Hammertal war schon zutreffend. Es gab nämlich im gesamten Hees- und Littfetal und im weiteren Ferndorftal bis einschließlich Dillnhütten (die Karte endet hier) nur noch drei Hämmer.

Im so genannten Hammertal gab es noch weitere unterschiedliche Mühlen. All diese Mühlen und Hämmer konnten nur laufen, wenn genügend Wasser vorhanden war. Wenn nicht genug da war, blieb man zu Hause und ging der landwirtschaftlichen Tätigkeit nach. Die Besitzer der Hämmer und Mühlen waren schon etwas besser gestellte Leute und tranken ab und zu mal ein Gläschen Wein. Aus dieser Zeit kommt auch der alte, fast vergessene Siegerländer Spruch: ,,Haa m’r Wasser, da drenke m’r Wing . .’’ (Haben wir Wasser, trinken wir Wein. Haben wir kein Wasser bleiben wir de’ Heim.) Dieser

Uralter Aufwurfhammer, wie er einst in Boschgotthardtshütten stand. Das Bild stammt aus dem Jahr 1908

Spruch der ehemaligen, auf die Antriebskraft des Wassers angewiesenen Hütten- und Hammergewerken des Siegerlandes macht die starke Abhängigkeit des vorindustriellen Gewerbes von seinen Energiequellen deutlich.

Unüberhörbar muss das Geklapper der Wasserräder in diesem Tal oft Tag und Nacht gewesen sein. Nur die mächtigen Hämmerschläge und das Peitschengeknall der Fuhrleute haben das Geklapper übertönt. Ein pulsierendes Leben, verbunden mit großem Unternehmergeist, hat schon früh in diesem Tal geherrscht, und dies ist bis heute noch vorhanden. Übrigens hat auch die älteste Brauerei des Siegerlandes, die Irle Brauerei, ein Dahlbrucher ins Leben gerufen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Dahlbruch vor der Eingemeindung 1969 zu den reichsten Gemeinden des gesamten Siegerlandes zählte. Dahlbruch ist zwar die jüngste, aber dafür die schnellstwachsende Gemeinde von allen elf eingemeindeten Ortsteilen, einschließlich Hilchenbach gewesen.  

Längst sind im Ferndorftal die Hüttenfeuer erloschen, die Blasebälge fauchen nicht mehr, kein Qualm kommt mehr aus den Schloten, das klappern der Wasserräder ist verstummt, verschollen ist das Peitschengeknall, kein Mühlstein dreht sich noch, und die gewaltigen Hammerschläge gehören längst der Vergangenheit an. Nicht

Uralter Aufwurfhammer, wie er einst in Boschgotthardtshütten stand. Das Bild stammt aus dem Jahr 1908

der Vergangenheit aus dieser Zeit ist das energische Unternehmertum mit Gründermentalität. Dies ist hier auch heute noch vorhanden.

Es kommt bei einem der elf vorher erwähnten Hämmer besonders in Betracht. So wurde laut Conzissionsurkunde vom 25. Mai 1769 von Sekretario Schenk zu Siegen ein Reckhammer ,,unter dem Dahlbruch’’ erbaut. Auf zwei durch Wasser (Wasserräder) betriebene Hämmer wurden vorzugsweise Bandeisen für Fässer sowie Bandagen für Wagenräder ausgeschmiedet. Der Hammer ging am 6. April 1790 zum Kaufpreis von 1600 Talern in den Besitz des Gewerken Johannes Klein. Im Laufe der Jahrzehnte wurde der Hammer unter Führung der Familie Klein zu einer bedeutenden Maschinenfabrik ausgebaut, deren Erzeugnisse Anerkennung in allen Industrieländern fanden. 1927 wurde die Maschinenfabrik von der Familie Weiß erworben. Sie wurde unter den Namen Siemag weitergeführt und zu den führenden Walzwerksherstellern ausgebaut. 1973 erfolgte die Fusion von Siemag und Schloemann (Düsseldorf). Man einigte sich auf den Namen SMS. Heute zählt die SMS zu den größten ihrer Branche.

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