Viele Nägel

In Helberhausen wurden viele Nägel gefertigt

Ist von Helberhausen im oberen Ferndorftal im Siegerland die Rede denkt man unwillkürlich an die vielen Holzlöffel die hier einst geschnitzt worden sind. Sie gaben sogar dem Ort den Namen Löffelstadt. Über diese bedeutende

Die Kapellenschule in Helberhausen

Heimindustrie hatte kein geringerer als Jung - Stilling ausführlich berichtet. Er musste es ja wissen, denn sein Großonkel Johann Heinrich Helmes gehörte zu den Männern, die mit dem Löffelschnitzen begonnen hatten.

Kaum bekannt ist aber eine andere Tätigkeit, die etwa bis zum ersten Weltkrieg in Helberhausen ausgeführt wurde. Als die Löffelschnitzerei langsam auslief fing man an Nägel zu schmieden. Dieses geschah in den Wohnhäusern oder in einem besonders kleinen Fachwerkbau. Die Kinder sprachen dann von ihrer Schmedde. Ein in der Technik brauchbarer Nagel war ein am unteren Ende zugespitzter und am oberen Ende verdickter oder mit abgeplättetem Kopf versehener Stift aus Metall. Er diente zum Verbinden von vorwiegend aus Holz bestehenden Teilen.

Es waren noch Gebäude vorhanden, die seinerzeit als Schmedde benutzt wurden,

Blick auf Helberhausen

wenn sie auch schon lange anderen Zwecken dienten. Männer aus Helberhausen gingen seinerzeit im Siegerland von Haus zu Haus um Nägel zu verkaufen. Sie trugen ein Säckchen auf der Schulter was vorne und hinten schwer herab hing, denn es war gefüllt mit Nägeln. Die Mindeststärke der Drahtstifte betrug 0,5 mm, während sich das Maximum auf circa 10 mm belief. Etwa 100 mm waren die längsten Nägel. Dicke und Länge bestimmten die Beschaffenheit. Die Größe der Stifte wurde zum Beispiel mit 22/55 angegeben. Die erste Zahl war immer die Stärke also 2,2 mm und die zweite Zahl die Länge also 55 mm.

Wer kennt heute noch Nagelschuhe, die vor etwa 70 Jahren von den meisten Siegerländern getragen wurden? Gummisohlen  waren weitgehend noch unbekannt und auf der Ledersohle zu laufen war zu teuer. Im zweiten Weltkrieg hatten die Landser noch Schuhnägel unter ihren Stiefeln und Schuhen. Die wurden aber bestimmt schon maschinell hergestellt.

Herrlicher Winkel von Helberhausen

Lange wurden die Schuhnägel von Hand geschmiedet. Was bestimmt kein besonderes gutes Geschäft war. Nagelschuhe waren seinerzeit im Siegerland üblich, auch ich hatte sie getragen. Ich kann mich noch gut erinnern, dass wir immer bei Dunkelheit Funken auf dem Kopfsteinpflaster mit diesen Nägelschuhen schlugen. Hierdurch gingen die Nägel natürlich schneller verloren. Diese  Schuhe mussten öftes auf fehlende Nägel kontrolliert werden. Die fehlenden Nägel wurden dann auf dem Dreifuß, der in jedem Hause war, neu eingeschlagen. 

Wie klein und leicht waren doch Drahtstifte oder Nägel wie sie allgemein genannt wurden gegenüber den schweren Erzeugnissen unserer Hammerwerke. Bei der Herstellung von Nägeln handelte es sich um ein Massenerzeugnis, bei Schmiedestücken dagegen um ein Einzelerzeugnis. Die ursprüngliche Handfertigung von Nägeln, die bis ins graue Mittelalter zurück ging, erfolgte um Mitte des 19. Jahrhundert durch maschinelle Herstellung.

Um 1870 begann die fabrikbezogene Herstellung von Drahtstiften. Diese Kleineisenwaren wurden von den Firmen Achenbach und Co. in Siegen, Siegener Drahtstifte G. m. b. H. in Weidenau und das Drahtstiftewerk G. m. b. H. in Geisweid betrieben. Um 1940 war es nur noch die

Schuh mit Nägeln beschlagen um 1943 - Foto: Archiv Luzern

Firma Weiß und Münker in Hilchenbach, die als letztes Siegerländer Unternehmen Nägel herstellte. Es gab kaum ein Kleinerzeugnis, dass eine so weitgehende Verwendung fand wie der Nagel. Er wurde überall gebraucht, ob in der Industrie, im Handwerk oder auch im privaten Gebrauch. 

Man unterschied Drahtstifte und Nägel. Die ersten wurden wie der Name es sagte aus Draht hergestellt. Die Unterschiede beruhten auf Dicke und Länge der Stifte. Unter Nägel fielen Erzeugnisse, die maschinell zum Teil noch unter Wärme hergestellt wurden. In der Materialgüte bestanden zwischen Drahtstiften und Nägel gewisse Unterschiede. Beide dienten aber dem gleichen Zwecken, dem Verbinden von stofflichen Bestandteilen.

Das Material für Schuhnägel waren runde oder viereckige Eisenstangen die in kurze Stücke geschnitten wurden. Bis fünf dieser abgeschnittenen Stäbe wurden gleichzeitig

Der Dreifuß, ideal für alle Schuharbeitten

in einem kleinen Schmiedefeuer erwärmt. Ein Arbeiten mit diesen einfachen Einrichtungen war  sicherlich nicht leicht. Zuerst wurde die Spitze geschmiedet. Es war der Teil, den man später ins Leder schlug. Die Spitzen wurden in Bohrungen auf den Amboss gesteckt. Es wurden nun die schrägen und seitlichen Flächen geschmiedet. Den Abschluss bildeten die Schläge auf den Kopf. Man rechnete etwa mit 30 Schlägen für einen Schuhnagel. Für Spezialnägel, zum Beispiel für Bergschuhe, benötigte man mehr Schläge. 

Früher ging der Schuster noch in die Häuser um die anfallenden Arbeiten zu erledigen. Er brachte Werkzeuge, die er benötigte sowie Kleinmaterial mit. Leder und Schuhnägel wurden von der jeweiligen Familie gestellt. Erst ab den 1930er Jahren erlangte die eigentliche Schusterwerkstatt ihre Bedeutung. Es war seinerzeit noch üblich, Schuhe handwerklich anzufertigen. Das gute Leder hierzu kam selbstverständlich aus Siegerländer Gerbereien.

Alle modernen Nägel wurden aus Stahl gefertigt. Wenn Nägel als Stahlnägel angeboten wurden, waren es gehärtete Nägel, welche nach dem Glühen gehärtet wurden, so etwa in einem Salzbad. Nicht gehärtete Nägel verbogen sich leicht und mussten mit geraden Hammerschlägen eingetrieben werden. Gehärtete Stahlnägel verbogen sich gewöhnlich nicht, sondern sie brachen wenn sie auf Biegung belastet wurden. Es gab sehr viele verschiedene Sorten von Nägeln. Auch welche aus nicht rostetem Stahl sowie aus Kupfer und Messing. Holznägel, die ohne Kopf waren, wurden von den Tischlern selbst

Zwei handgeschmiedete Nägel

angefertigt. Nägel aus Holz wurden nachweislich schon 5.100 v. Chr. zum Vernageln eines Holzbrunnens verwendet.

Jakob Heinrich Fuhrmann aus Helberhausen stellte in seiner Schmedde einst hauptsächlich Spezialnägel her. Seinen Söhnen hatte er mal berichtet, dass 1.000 Schuhnägel erforderlich waren um einen Taler zu verdienen. Fuhrmann war noch Nachtwächter und Flurschütz und hatte somit für Ordnung im Dorfe zu sorgen. Zu gewissen Nachtstunden blies er auf seinem Horn. Der Flurschütz hatte seinerzeit mehrere Rechte, so hatte er auch den Jagddiebstahl zu überwachen. Besondere Arbeit gab es für ihn, wenn Wald- und Preiselbeeren gesucht wurden. Der Tag vom Beginn des Sammelns wurde festgelegt und es mussten dafür Lesescheine gekauft werden. Es war kaum zu glauben wie viele Beeren damals gesammelt wurden. Es fuhren sogar für die Beerensucher Sonderzüge von Siegen nach Hilchenbach und die Menschen strömten dann in die Wälder der Ferndofquelle um Beeren zu sammeln.

 

 

Literaturnachweis:
Unser Heimatland : Nägel als kleinstes Siegerländer Fabrikerzeugnis 
Wikipedia : Nagel
Erhard Schröder : Tausend Schuhnägel für einen Taler
Angelika Franz : Die ältesten Holznägel der Welt

 

 

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