Schwarzkittel

Die Schwarzkittel waren am Aussterben

Wer vor etwa 130 Jahren Siegerländer Wälder durchstreifte, musste ein günstiges Verhältnis zur Jagd gewonnen haben. Dazu trugen vor allen Dingen die ausgedehnten Niederwaldbestände mit den günstigen Äsungsplätzen bei. Aber auch die

Müsen im Jahre 1898 mit Gasthof Nockemann und ev. Kirche

heranwachsenden dichten Fichtenbestände, die dem Wild eine gute Deckung boten. Auch die vielen Wiesen und Felder, die zum Teil bis in die Bergeshöhen gingen, passten gut hierzu. Aber trotz dieser günstigen Bedingungen für das Wild war der Bestand seinerzeit sehr gering. 

Das lag daran, dass der Abschuss des Wildes kein geregelter war. Man hatte nicht genug weibliches Wild, was für die Nachzucht notwendig war, am Leben gelassen. Aber auch der rücksichtslose Jagdbetrieb mit den Bracken hatte dazu beigetragen. Diese Jagdart hatte zwar ihre Reize, aber die Grenzen der Waidgerechtigkeit wurden hierbei überschritten, wenn Hunde das Wild stundenlang, ja sogar bis zu Tode, hetzten. Durch diese

Rechnungskopf an die Müsener- und Dornbrucher Jagdgesellschaft vom 19.10.1890

Jagd, mit den hochbeinigen Bracken, hatten besonders die Rehwildbestände gelitten. Deswegen hatte der einsichtige Teil der Siegerländer Jägerschaften den zweifelhaften Jagdbetrieb mit den Bracken abgeschafft. Sie waren nur noch da zu finden, wo das jagen keine waidgerechte Freude darstellte, sondern einen Erwerbszweig wo die Einnahmen die Ausgaben am Jahresabschluss decken mussten.

Der Kreis Siegen hatte seinerzeit eine Größe von 64 700 ha, hiervon waren 71 % (44.000 ha) Wald. Es waren 14 % Staatswaldungen, 1% Stiftswald, 5 % Gemeindewaldungen, 3 % Privatwald und 77 % Hauberge. Die häufigsten Wildarten waren Rehe und Hasen. Der unruhige Haubergsbetrieb und der Weidegang von Schafen und Rindvieh sagten dem Rotwild zu. Es war daher nur in den ruhigeren fiskalischen Revieren als Standwild anzutreffen. Das Schwarzwild war durch die Ausdehnung der landwirtschaftlichen Betriebe

Alter Bauernhof in der Winterbach

zurückgegangen. Die Schäden, die ein starker Bestand von Schwarzwild an Wiesen und Felder anrichtete waren nicht unerheblich.  Deswegen war auch jeder Schwarzkittel bei den meisten Landleuten ein verhasster Geselle. Seine Ausrottung in den Siegerländer Wäldern dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, meinte Paul Sorg seinerzeit.

Für den Jäger war das Verschwinden dieser edlen Wildart sehr bedauerlich. Um die Pächter zu locken, boten die Verpächter ihre Reviere in den Zeitungen mit einem Sauenbestand an. Der Pachtzins war eine wichtige Einnahme. Er betrug um 1913 je nach Wildbestand zwischen 2 und 8 M pro ha. 1 M entsprach etwa heute (Januar 2018) 5,20 Euro. Nachdem der ,,Jagdschutzverein Siegerland" im Jahre 1908 gegründet wurde und dieser auf die Jägerschaft einwirkte, nahm der Wildbestand wieder zu.

Heute dagegen hatten wir viel zu viele Wildschweine, die ständig immensen

Aufteilung eines Rehbockes, der am 30.11.1878 in der Molzekuhl erlegt wurde

Schaden anrichteten. Deswegen hatte die untere Jagdbehörde des Kreises Siegen /Wittgenstein die Schonzeit für Wildschweine aufgehoben. Ausgenommen von der Schonzeitaufhebung waren nur noch die Bachen mit gestreiften Frischlingen, die weniger als 25 Kg wogen. Dem übermäßigen Wildschaden durch die zurzeit sehr hohen Schwarzwildbestände war nur beizukommen, indem die Tiere über mehrere Jahre bejagt wurden. So waren von Oktober 2016 bis zum 11. Januar 2017 im Kreis Siegen/Wittgenstein mehr als 700 Wildschweine erlegt worden.

Hierdurch wurde mir auch das große Rechnungsbuch der Müsener Jagdgesellschaft etwas verständlicher. Das Rechnungsbuch hatte eine Größe von 22 x 34, cm war 2 cm dick und im Besitz von

Rechnung der Müsener-, Winterbacher- und Dornbrucher Jagdgesellschaft von 1880/83

Wilhelm Krämer Müsen. Das Buch listete alle Einnahmen und Ausgaben von dem Jagdjahr 1866/67 bis zum Jahr 1898/99 fein säuberlich auf. Die Einnahmen bestanden aus verkauften bzw. versteigerten Rehbraten, einschließlich der Rehböcke und den erlegten Feldhasen, die verkauft wurden. Von dem Rehwild waren nie mehrere Tiere, die an einem Tag erlegt wurden, aufgeführt. In all den Jahren wurde kein Verkauf von einem Wildschwein bzw. Wildschweinbraten aufgeführt. In dem Jagdjahr 1886/87 wurden 50 Hasen, 1887/88 = 52 Hasen und 1894/95 = 54 Hasen erlegt und verkauft. Trotz dieser vielen Hasen brachte der Verkauf von Rehbraten immer viel mehr ein als die der Hasen.  

Es sind schon einige Wildschweine damals geschossen worden, was aus Bescheinigungen der Fleischbeschauer ersichtlich war. Zum Schluss des Rechnungsbuches waren alle Rehe und Rehböcke fein säuberlich aufsteigend nach dem Datum aufgelistet

Naturfreibad Müsen mit einer Wasserfläche von etwa 8.000 m2

. Aber auch wer sie erlegt hatte und wo es war. Es sind mehr Rehböcke als Rehe geschossen worden. Die Geweihe der Böcke sind nie erwähnt worden. Meines Erachtens bekam der Schütze, der das Tier erlegt hatte, oder der Schlachter, die Hörner.

Die Tiere wurden immer in sechs Teile zerlegt und verkauft. 1. Rechter Hinterschlegel (Rechte Keule). 2. Linker Hinterschlegel (Linke Keule). 3. Hinterziemer (Hintere Teil des Rehrückens). 4. Vorderziemer (Vordere Teil des Rehrückens). 5. Rechter Vorderschlegel (Rechtes Blatt). 6. Linker Vorderschlegel (Linkes Blatt). Die Rehrücken erreichten immer die höchsten Preise pro Kg. Für jeden dieser sechs Stücke war das Gewicht bis eine Stelle hinterm Komma genau aufgeführt. Der Preis für jeden Braten war bis zum Pfennig aufgelistet, aber auch der Endpreis für jeden dieser Rehbraten sowie wer es gekauft und wie viel bezahlt worden war konnte man in dem Jagdbuch sehen. Der Gesamtpreis, den das einzelne Rehwild erzielt hatte war aufgeführt.

Bescheinigung von der Untersuchung eines Wildschweines vom 12. März 1883

Sauber aufgelistet waren im Jagdbuch zum Jahresabschluss alle Einnahmen und Ausgaben des Jahres. Bei den Einnahmen kam der Überschuss des Vorjahres hinzu, so dass immer ein Gewinn vorhanden war. Einige Protokollführer schrieben noch ein Gedicht dabei, so auch 1870 eins von 26 Versen. Die ersten drei Verse lauteten, 1. Das Jagdhorn ruft: Tara! Tara! Die Jäger kommen zu Hauf. Der Jahrestag ist nunmehr da, zur Feier durchs vergangene Jahr. 2. Sie kommen alle hocherfreut, all die den Ruf gehöret. Zu sehen was der Tisch uns bot und was zu trinken wäre. 3. Doch einige die fehlten heute, die waren in der Schlacht, mit König Wilhelm kampfbereit, fort auf Franzosen Jagd.

Ein Rehbraten war seinerzeit schon etwas Besonderes dementsprechend waren auch die Preise. Immer wieder tauchten die gleichen Käufer auf. Es waren die besser gestellten Leute, denn so einen Rehbraten konnte sich damals nicht jeder leisten.

 

 

Literaturnachweis:
Kreisverwaltung: Siegen/Wittgenstein
Paul Sorg: Die Forstwirtschaft
Hendrik Schulz: Schonzeit für Wildschweine in Siegen Wittgenstein ist vorbei
Paul Sorg: Die Jagd
Rechnungsbuch für die Müsener Jagdgesellschaft von 1866/67 bis 1898/99  
Wikipedia: Deutsche Währungsgeschichte

 

 

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