Hüttenindustrie

Der Auf- und Niedergang der Siegerländer Hüttenindustrie 

Über Jahrhunderte waren Erz, Holzkohle und Wasser die wichtigsten Produkte für die eisenschaffende Industrie im Siegerland. Mit Eröffnung der beiden Hauptschienenstränge von Rhein und Ruhr ins Siegerland  erreichten die Hütten eine neue Blütenzeit und die uralte Verbindung zwischen Eisenerz und Holzkohle wurde immer mehr gelöst. (1) Schnell passten

Auch heute noch rauchen Kohlenmeiler in Netphen-Walpersdorf

sich die Siegerländer Eisenköche den neuen Gegebenheiten an. Die über Jahrhunderte wohl gehütete Hütten- und Hammerordnung wurde innerhalb kurzer Zeit überholt. Übrigens war der Eisenguss im Siegerland aus dem Guss von Geschütze, Kugeln, Öfen- und Grabplatten entstanden. (2) Mit dem Koks, der nun ins Siegerland gebracht wurde, schossen neue Hochofenwerke aus dem Boden. 

So die Kreuztaler- und die Rolandshütte 1867, die Friedrichshütte 1871, das Geisweider Eisenwerk 1872, die Bremer Hütte 1873, die  Alfred- , die Johannes- und die Eisener Hütte 1875, die Marienhütte 1876 und die Brachbacher Hütte 1883. Im Wirtschaftsraum des Siegerlandes verzehnfachte sich hierdurch die Roheisenerzeugung. Im Kreuztaler Hochofen  wurde im ersten Jahr 9 387 Tonnen reines Siegeleisen mit Koks gewonnen. Es hatte einen hohen Mangan gehalt von 6 bis 25%. (3) Übrigens war die Charlottenhütte in Niederschelden die erste größere Hütte im Siegerland, die nur Koks verwendete. (4)

Mit Gründung des Cöln-Müsener Bergwerks-Aktienverein im Jahre 1856 floss erstmals im großen Umfang Fremdkapital in die Siegerländer Wirtschaft. Der Verein war die erste Kapitalgesellschaft im Siegerland. (5) Den Siegerländer Gewerken gefiel dieses überhaupt nicht und sie verlangten, dass die Vorstandssitzungen in Müsen oder Siegen sattfinden sollten. Der Verein wurde 1916 infolge der Verschmelzung mit der Aktiengesellschaft Charlottenhütte Niederschelden aufgelöst. Trotz der Blüte der

Die Rolandshütte in Weidenau - Eine Lithografie aus einem Rechnungsbogen datiert am 30. November 1875

Siegerländer Eisen- und Stahlindustrie war ihr Kapital bereits weitgehend in die Ruhrindustrie gelangt. Die riesigen Eisen- und Stahlküchen im Pott setzten die heimischen Hütten immer weiter unter Druck. 

Die Eisenbahn fuhr nicht nur den gewaltigen Aufschwung ins Siegerland, sondern brachte auch die Konkurrenz ins Land. Wegen der billigen Zuführung des hiesigen Eisenerzes durch die Bahn konnte die Ruhrindustrie auch Qualitätseisen herstellen. Die immer größer werdende Ruhrindustrie wurde zum schärfsten Rivalen für die Siegerländer. Aber schon lange zuvor hatten die Siegerländer den Produktionswettlauf gegen die Giganten aus dem Ruhrpott verloren. So erzeugten 1820 die Siegerländer Hochöfen 6.900 Tonnen Roheisen, während die Betriebe zwischen Emscher und Ruhr es auf 2.314 Tonnen brachten. 1856 erzeugte das Ruhrgebiet schon 122.237 Tonnen, das Siegerland dagegen nur 30.900 Tonnen. (6)

Bereits 1847 versuchte die Trupbacher Hütte im Siegerland einen Hochofen nur mit Steinkohle zu betreiben. Dieser bedeutende vorausschauende Produktionswandel im Alchetal musste schon nach kurzer Zeit

Birlenbacher Hütte in Geisweid um 1504 - Gemälde von Ludwig Heupel, Siegen

eingestellt werden. Der Grund hierfür waren die noch unzugänglichen Transportmöglichkeiten .

Der erste Siemens-Martin-Ofen wurde 1889 in den Geisweider Eisenwerken in Betrieb genommen. Es war der Anfang einer neuen Grundstoffindustrie. In der Bremer- und Scharlottenhütte wurden weitere Siemens-Martin-Öfen gebaut. Damit hörten die Puddelwerke endgültig der Vergangenheit an.

Um 1910 wurden auf der ganzen Erde etwa 70 Millionen Tonnen Roheisen erzeugt. Dieses hätte man als Band von 1 Meter Breite und 23 cm Dicke rund um den Erdball legen können. 1 % von dieser großen Menge wurde in unserem kleinen Siegerland hergestellt. (7)

Bereits kurz nach 1900 begannen die Schwierigkeiten bei der heimischen Industrie. Aber im ersten Weltkrieg hatten die Betriebe keine Absatzsorgen, denn für die Rüstung wurde das Material verwendet. In den zwanziger Jahren vollzog sich dagegen ein struktureller Wandel in der Siegerländer Industrie. Die Ruhrindustrie zeigte kein Interesse mehr an dem Siegerländer Erz. Man suchte nach Quotenkäufen um ihre günstigen Standorte mit den mächtigen  Anlagen besser und somit billiger zu nutzen.

Somit begann das große Siegerländer

Die Eiserfelder Hütte um 1900 - Foto: Peter Weller

Hüttensterben. Das erste Opfer war die Scheldener Hütte. Sie war nach einer Erneuerung gerade erst sechs Wochen wieder in Betrieb. Die Hattinger Heinrichshütte erwarb ihre Quoten und legte das Hochofenwerk umgehend still. Die Rolandshütte 1924, die Marienhütte 1925, die Kreuztaler Hütte 1926, die Gosenbacher Hütte 1927, die Eisener Hütte 1928 und die Bremer Hütte 1930 mussten diesen bitteren Weg auch gehen. Die Arbeitslosenquote stieg gewaltig. Im Arbeitsamtsbezirk Siegen hatte man über 22.000 Arbeitslose. (8)

Eine Sonderstellung in der eisenschaffenden Industrie im Siegerland nahmen die Jahrhunderte alten Kleinbetriebe ein. Sie konnten auf Kundenwünsche eingehen und auch kleine Mengen nach ihren Wünschen herstellen. So erlangte das nickelchromlegierte Roheisen was nur von der Niederdreisbacher Hütte hergestellt wurde Weltruf. So wie dieses von Dr. Hermann Thaler entwickelte, hatten auch andere bedeutende Verfahren in der Schmelztechnik ihren Start im Siegerland. Oder die in Kreuztal von Dr. Ernst Menne erfundene Sauerstofflanze, die bald danach an allen Hochöfen in der Welt eingeführt wurde. Für die autogene Schweißtechnik war diese Erfindung bahnbrechend.  

Der damals schon mächtige Friedrich Flick sah eine durchaus realistische Überlebenschance für die Siegerländer Grundstoffindustrie. Er wollte die großen Werke zusammenlegen und sie zur Umstellung von der Masse zur Qualität bewegen, was Jahre später zum Teil mit Erfolg geschehen war. An diesen zukunftweisenden Plänen scheiterte Flick am Wiederstand, den

Die Bremer Hütte in Geisweid um 1913 - Foto: Peter Weller

man ihm aus persönlichen Gründen entgegen gesetzt hatte. 

Die Gebrüder Klein Dahlbruch, die Vorläufer der heutigen Siemag, wollte 1927 die Demag erwerben und den Betrieb komplett einstellen. (9) Die größte Konkurrenz der Demag waren seinerzeit nämlich die Gebr. Klein. Glücklicherweise haben Weisses dank Friedrich Flick, der sich seinerzeit um die Siegerländer Arbeitsplätze Sorgen gemacht haben sollte, den Betrieb erwerben können. 

Von Interesse waren bestimmt noch die verschiedenen Standorte der Hochöfen und warum hatte man diese Orte gewählt. (10) Da waren als erstes die Rennöfen, wovon es viele im Siegerland gab. Sie standen an den Bergeshöhen, wo Erz gewonnen wurde und es Holzkohle und Wind gab. Dann baute man die Hochöfen an den Bächen im Siegerland um die kostenlose Wasserkraft zu nutzen. Denn das Wasserrad hatte in der Zwischenzeit Einzug gehalten. Man verkraftete den Transport von Erz und Holzkohle locker. Der dritte Standort war da, wo die Koksgewinnung zu Hause war, im Ruhrgebiet und das Siegerland musste langsam von der uralten Tradition Abschied nehmen. Da das Erz zum großen Teil später mit Schiffen herbeigebracht wurde, war der vierte Standort deswegen an den Küsten, so zu Beispiel in Deutschland, Holland und Spanien. Da die Energie das teuerste seinerzeit war und Öl hiervon das billigste, wurden als fünften Standort auch Hochöfen in den Ölförderstaaten

Die Kreuztaler Hütte um 1900 - Foto: Peter Weller

bebaut.

Nach Ende des zweiten Weltkrieges kam die Neuordnung der Montanindustrie und die Rationalisierung wurde fortgesetzt. Die Siegerländer waren quasi gezwungen, bei sinkenden Erlösen, ihre Anlagen stillzulegen oder sich auf dem Veredelungssektor umzusehen. Anfang der 1950 er Jahre wurden ¾ des Siegerländer Rostspates im Ruhrpott verarbeitet. Den Rest verarbeiteten 9 Siegerländer Hütten, davon 6 kleine Hütten. Sie erzeugten mit dem sogenannten kalten Wind von 400 bis 500 Grad Siegerländer Spezialroheisen. Es wurde für den Walzenguss und hochwertigen Maschinenteilen verwendet. (11)

Mit dem Aufblühen der Elektroöfen in den Gießereien schrumpften die Absatzmöglichkeiten weiter. Denn mit dem Einsatz von billigem Schrott und dem Zusatz von Ferromangan und Ferrosilizium konnten die Gießereien in den Elektroöfen Gusseisen herstellen. Aber auch die Standort günstige Duisburger Kupferhütte, die sich die Siegerländer Erzeugnisquoten gesichert hatte, war an dem aus der Siegerländer Kleinhütten beteiligt. Mit Stilllegung der Birlenbacher Hütte 1971 und der Eiserfelder Hütte 1972 floss das letzte Roheisen aus einem Siegerländer Hochofen. (12)

 

 

Quellennachweis:

  1. Th. Kraus : Das Siegerland ein Industriegebiet …….
  2. P. Fickeler : Festbuch Achenbach Buschhütten.
  3. Hermann Engelbert : Hinterhüttische Chronik
  4. Horst Gamann : Die Herstellung von Roheisen.
  5. Horst Günther Koch : Bevor die Lichter erloschen.
  6. Horst Koch : Siegerländer Hochofenwerke im Kampf…….
  7. Heinrich Gamann : Die Herstellung von Roheisen.
  8. Horst Koch : Der Strom des Eisens und seine Geschichte
  9. H. Bensberg : Vom Handwerksbetrieb Weiss zum Weltmarktführer …..
  10. Heinrich Weiss : Vortrag auf einer Betriebsversammlung
  11. Paul Fickeler : Das Siegerland
  12. Horst G. Koch : Eiserfeld im grünen Kranz der Berge

 

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