Glocken f. Rüstung

Glocken für die Rüstung vom Amt Hilchenbach

Glocken riefen die Menschen nicht nur zum Gottesdienst. In vielen Städten der Welt waren sie auch ein Denkmal für den Frieden. Doch auch die Kolosse aus Bronze wurden immer wieder Opfer des Krieges. Ab 1914 wurden viele Glocken zu Kanonenrohren umgegossen. Schätzungen zufolge wurden zwischen 1914

Glockenfriedhof im Freihafen in Hamburg 1917 - Bild vom Bundesarchiv

und 1918 im Deutschen Reich rund 65.000 Bronzeglocken von den Türmen geholt, abtransportiert und umgeschmolzen. In der Glockenbronze fand man das erforderliche Material für den Guss von Kanonenhülsen und anderen militärischen Gerätschaften. So wurden unsagbare Werte an kulturhistorischem Gut durch das Einschmelzen der Glocken vernichtetSelbst die Kaiserglocke Gloriosa, es war die größte Glocke des Kölner Domes und seinerzeit die größte freischwingende Glocke der Welt. Sie wurde noch kurz vor Ende des ersten Weltkrieges eingeschmolzen. Sie wog 26.250 Kilogramm und hatte einen Durchmesser von 342 Zentimetern. Die Schlagringstärke der Glocke betrug 29 Zentimeter.

Als Metallspende des deutschen Volkes wurden Sammlungen von Rohstoffen aus Metall im Ersten und Zeiten Weltkrieg bezeichnet. Da Deutschland von jeher bestimmte Rohstoffe importierte, galt es in Kriegszeiten die durch abgebrochene Handelskontakte nicht mehr beschaffbaren ausländischen Rohstoffe, es waren vor allen Dingen die Bundmetalle Kupfer, Messing, Zink, und Zinn, als wichtige Rohstoffe für die Rüstungsindustrie, in Deutschland zu beschaffen. Weil Deutschland unbedingt Metall für Rüstungsgüter benötigte ließ Hitler im Zweiten Weltkrieg verschiedene Sammlungen durchführen. Alles was nicht niet- und nagelfest war, wurde eingeschmolzen. Die Deutschen ließen sich nicht lumpen und trugen zur Metallspende des

Die Kaiserglocke vom Kölner Dom wurde kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges noch eingeschmolzen -
Foto: kaiserglocke.jpg

deutschen Volkes, zum Geburtstag des Führers, 77.000 Tonnen Zink und Kupfer zusammen. Das war mehr als doppelt soviel, als man eigentlich erwartet hätte.

Als im Frühjahr 1941 das Unternehmen Barbarossa, den Angriff auf Russland vorbereitete, kamen auch die Kirchenglocken an die Reihe. Nun wurde auch noch geplant auf welche Weise man die Glocken abmontierte. Aber immer zum Wohle des Dritten Reiches bzw. des Vaterlandes. Binnen von fünf Monaten wurden zwischen Ende 1941 und April 1942 insgesamt 102.000 Kirchenglocken abmontiert. Deutlich mehr als im Ersten Weltkrieg wo die Behörden den gleichen Weg verfolgt hatten. Jede Gemeinde durfte eine Läuteglocke behalten es musste aber in jedem Fall immer die Kleinste sein.

Die Plätze wo die Glocken im Ersten und Zweiten Weltkrieg gesammelt wurden nannte man Glockenfriedhöfe. Von den Sammelstellen aus wurden die Glocken in Schiffsladungen und Güterzügen den Hüttenwerken zugeführt. Wegen der günstigen und damals noch ungestörten Verkehrsbedingungen erhielten die beiden Hüttenwerke in Hamburg den weitaus größten Teil aller Glocken.

Glockensammlung während des Ersten Weltkrieges in Rostock -
Foto: www.welt.de

Auch das Amt Hilchenbach opferte elf Glocken im Sommer 1917. Ende des Jahres 1917 wurde aus dem Amt Hilchenbach, was 1843 entstanden war, das Amt Keppel und es bekam eine eigene Verwaltung. 1969 wurde das Amt Keppel wieder aufgelöst und die Orte wurden der Stadt Hilchenbach zugeschlagen. Die elf Glocken standen im Sommer 1917 auf dem Gelände der Gebr. Klein Dahlbruch, da diese Firma auch den Ausbau übernommen hatte. Es war die Vorläuferin der Siemag.

Die meisten Menschen hatten die Glocken erst nach der Abnahme gesehen, deren Stimmen sie kannten und jetzt vermissten, wie die Stimmen guter Freunde. Für manchen hatten diese Stimmen noch mehr Wert. Anderen hatte erst der Krieg die große Bedeutung der Glocken zum Bewusstsein gebracht.

Es existierte ein zusammengesetztes Bild dieser Glocken. Die Überschrift des gesamten Bildes lautete: “Zum Gedächtnis an die im Sommer 1917 für die väterliche Wehrkraft bestimmten Kirchen- und Schulglocken  aus dem Amt

Das Metall der Kirchenglocken fand sich in den Granaten wieder - Foto: www.welt.de

Hilchenbach. Wir riefen oft ihr tratet an. Ernst und gefasst nahm man Abschied dann. Von den Lieben, die für das Vaterlands Ehr, gaben ihr Gut, ihr Blut und das Leben her. Nun gab zuletzt der eherne Mund euch unsere Abschiedsstunde kund. Vereint wir geben das Leben her, mit vielen anderen für Deutschlands Wehr". 

Das Bild war aus drei einzelnen Aufnahmen zusammengesetzt worden. Die beiden oberen Glocken gehörten der Kirchengemeinde Müsen. Sie stammten aus dem Jahre 1893, als ein gewaltiger Brand einen großen Teil des Ortes vernichtete und auch die Dorfkirche der Feuersbrunst zum Opfer fiel. Die dritte Glocke war der Gemeinde geblieben. Es war ein Neuguss aus dem bei dem Brand zusammen geschmolzenen alten Glocken. Wie ihre Inschrift andeutete: „Ehre sei Gott in der

 Weit über 100.000 Kirchenglocken wurden im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen, um aus ihrem Metall Kriegsgeräte herzustellen -
Foto: katholisch.de

Höhe! Durch Feuersbrunst zerstört. Im Feuer neu entstanden. Sing Du Herr und Gott, Dein Lob in diesen Landen. 20. Juni 1893 30. Nov. 1893 Pastore Hackländer." 

Wenn man das Bild betrachtet war die links oben aufgestellte Glocke die größte der Zusammenstellung. Sie maß an der Mündung außen 1000 mm Durchmesser und hatte eine Höhe von 850 mm ohne Krone. Die Inschrift lautete: „Wachet und betet. Das ist ein köstlich Ding dem Herrn danken! Wer bittet der nimmt. Wach auf du Knapp zur Pflicht, Vergiss des Herren nicht. Der treu beschützt dein Leben. Zum Tun will Segen geben!" Die kleinere der Müsener Glocken hatte 900 mm Durchmesser an der Mündung und war 770 mm hoch ohne Krone. Die Aufschrift lautete: „Kommet her zu mir, alle die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken. Selig sind, die Gottes Wort

Metallsammlung in Berlin 1940 - Bild: Heinrich Hoffmann

hören und bewahren." 

Das Ehrenmal der Gemeinde Müsen trägt folgende Inschrift: „Ich gab dir mein Eisen fast tausend Jahr in guten und in schlimmen Tagen. Meine Berge haben dir immerdar ihre eiserne Ernte getragen. Und als deine Grenzen vom Feinde bedroht du kämpftest auf Sterben und Leben, da habe ich dir in deiner Not auch meine Glocken gegeben. Da habe ich vom schwarzen Erntefeld, dir tief von des Schachtes Sohle, alle meine Söhne ins Glied gestellt. Sieg war oder Tod die Parole und haben mir alle Ehre gemacht denn darauf sind sie gestorben. Hier habe ich ihrer in Treue gedacht, die ewigen Ruhm sich erworben."

Die zweite Reihe auf dem Foto stellt die Glockengruppe der katholischen Kirchengemeinde Stift Keppel dar. Um die Jahrhundertwende 1900 waren sie in das neu errichtete Gotteshaus eingebaut worden, welches auf Dahlbrucher Gebiet an der Allenbacher Grenze stand. Die Kirche hatte das landschaftliche Gebiet des mittleren Ferndorftales erheblich verschönert. Auf jedem dieser Glocken war auf dem Zierrand auch ein Spruch in Lateinisch aufgegossen. Auf allen Glocken war auch das Zeichen der Glockengießerei sichtbar. Die Dachreiterglocke die dem hl. Augustinus geweiht war, fiel auf Grund des geringen Gewichtes dem Krieg nicht zum Opfer. Die Kirchen durften immer eine

Dieses waren die 11 Glocken, die das Amt Hilchenbach 1917 für die Rüstung opfern musste - Bild: H. Krebs

Glocke behalten und dieses war natürlich immer die Leichteste.

Die beiden ersten Glocken der dritten Reihe von links gesehen stammten aus dem Geläut des altertümlichen Kirchlein von Stift Keppel. Die erste größere Glocke war 125 kg schwer und war mit einem Spruchband in lateinisch umringt. Eine weitere Inschrift auf der Glocke gab Auskunft über Alter, Ursprung und dem Umguss im Jahre 1864. Sie lautete: „Als man schrieb siebzehnhundertundeinundvierzig Jahr. Da in Schlesien Krieg und im Reich kein Kaiser war. Bin ich auf Stifts Kosten durch Feuer und Flamme gegossen. Carl Engelbert Fuchs in Cöln hat mich gegossen. Umgegossen im Jahre 1864 von Christian Claren Siegler.“ Die zweite hatte auch eine Inschrift in lateinisch und war 34 Kg schwer.

Die übrigen vier Glocken in der untersten Reihe stammten von links nach rechts aus den Gemeinden Helberhausen, Oechelhausen, Lützel und Vormwald. Aufgegossen war auf allen der Name des Fabrikanten in auffallender Form. Aber auch das Entstehungsjahr war auf all diesen Glocken, bis auf die Lützeler, sichtbar.

Bis zum 17. Dezember 1917 standen diese Glocken brüderlich vereint auf dem Fabrikhof der Maschinenbau-Aktien-Gesellschaft vorm. Gebr. Klein Dahlbruch, die auch den Ausbau übernommen hatten. Auf der Bahn als Teillieferung ausgeführt, gesellten sich in Ferndorf die Gefährten des Nachbaramtes dazu. Die Sammelladung wurde nach den Kupferwerken in Ilsenburg am Harz befördert.

Mit weltweitem Glockenläuten wurde am Sonntag, den 11. November 2018 an das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erinnert. In zahlreichen Ländern erklangen an diesem Tag um die Mittagszeit die Glocken. Es wurde damit an die Millionen Opfer des Ersten Weltkrieges gedacht, es war auch ein starkes Zeichen für den Frieden und Versöhnung.

 

 

Literaturhilfe:
H. Krebs: Die für die väterl. Wehrmacht bestimmten Glocken aus dem Amt Hilchenbach
Sonntagsblatt: Weltweites Glockenläuten erinnert an Ende des Ersten Weltkrieges
Sankt Michaelsbund: Glocken für die Rüstung
Id-erzgebirge.de: Geschichte der Glocke
Wikipedia: Glockenfriedhof
Wikipedia: Kaiserglocke
FOCUS: Metall - Sammlung für die Rüstung

 

 

Druckversion (nur Text) als pdf-Datei zum herunterladen