Walzen

Siegerländer Walzen hatten Weltruf

Könnte nicht ein Schmied auf den Gedanken gekommen sein, dass man die Walzen nicht nur für den Transport, sondern auch zum Pressen und Glätten von Stoffen verwenden könnte? Sehr spät ist man erst dazu übergegangen, das hämmernde Ausbreitungsverfahren durch den Druck der Walzen zu ersetzen, der doch viel

Alter Siegerländer Aufwurfhammer (Brandmalerei von Hans Krüger)

gleichmäßiger war und ein besseres Ergebnis lieferte. 

Drei verschiedene Walzwerke kamen um die Mitte des 16. Jahrhundert auf. Es waren die Bleileistenwalzwerke der Glaser, die Plattmühlen der Drahtzieher und die Münzwalzwerke. So baute der Augsburger Marx Schwab 1550 ein Münzwalzwerk für König Heinrich II. von Frankreich (1). In einem Brief an den Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen behauptete Graf von Solms - Lich: ,,Er kenne einen Siegener Meister, der in der Lage sei, ein solches Werk mit geringerer Mühe leichter zu gießen als der Meister von Augsburg (2).“ Den Namen hatte er leider nicht genannt - vielleicht war es Hans

Gebr. Klein, Dahlbruch, der Vorgänger der Siemag, im Jahre 1875

Pender?? Hierbei wurden Walzen verwendet, die nicht so eine harte Oberfläche haben mussten als später für das Blechwalzen. 

In Deutschland hielt sich das Hämmern von Blechen merkwürdigerweise, obwohl das Walzen bekannt war, noch lange Zeit. Erst als gewalzte, glattere und billigere Bleche aus England die deutschen Bleche vom Weltmarkt verdrängten, besann sich die deutsche Industrie. Das erste moderne Blechwalzwerk ging 1773 in Rasselstein bei Neuwied in Betrieb. In Dillingen an der Saar lief 1804 die Weißblechfabrikation an und in Hohenlimburg entstand 1828 ein Walzwerk. Die ersten Siegerländer Walzwerke müssen

Die Wasserkraft war der Grund, dass Jacob Irle 1847 die Deuzer Mühle kaufte. Das hölzerne Wasserrad leistete 8 PS

auch um diese Zeit entstanden sein, denn in seiner Statistik von 1839 schrieb Schenk: ,,Das bei Tiefenbach liegende Walzwerk der Herren Achenbach und Hövel zu Fickenhütten ist bereits seit mehreren Jahren in Betrieb und erfreute sich eines bedeutenden Absatzes. Der Herr Hermann Göbel zu Meinhard hatte auf dem Platze des aufgehobenen Münkershütter Eisenhammers ein neues Walzwerk angelegt (3).“ 

In Deutschland musste das viel härtere Material, das Eisen, noch früher mit Walzen verformt worden sein. Dies ging aus einem Schreiben des Johann Gabriel Doppelmayer hervor. Der eine Vorrichtung des Mechanikers Hans Lobsinger (gestorben 1570) aus Nürnberg des 16. Jahrhunderts beschrieb: ,,Er war - in Darstellung eines Presswerk - gar glücklich, indem er einige

Die Walzendreherei der Firma Walzen-Irle im Jahre 1894

in Form einer Mühle machte, darinnen man das Eisen ohne Hammer zainen und strecken, dick und dünn, als gesägte Blätter richten kundte (4).“ 

Es ist nicht verwunderlich, dass  im Siegerland, ein Land mit so großer gießtechnischer Erfahrung, auch der Walzenguss Einzug hielt. So goss Johann Friedrich Achenbach jun. zu Marienborn am 14. November 1824 die erste Blechwalze des Siegerlandes. Für seinen Schwager Wilhelm Achenbach war sie bestimmt. Dieser hatte wie zuvor berichtet das erste Blechwalzwek des Siegerlandes in Tiefenbach bei Weidenau eingerichtet. Er hatte damit die Siegerländer Industrie in eine neue Richtung gewiesen, die sich später zum großen Vorteil unserer Heimat entwickelte.

Bereits 1495 zeichnete Leonardo da Vinci

Rohbau von Gontermann-Peipers in Marienborn im Jahre 1898

die Verformung des Metalls zu gleichmäßigen, glatten Platten auf dem Papier. Technisch verständliche Beschreibungen waren noch vorhanden, über ein Walzwerk für Zinn- und Bleibleche des Salomon von Caus aus dem Jahre 1615. Aber auch von dem ersten Umkehrwalzwerk, welches Thomas Hale 1670 in Deptford baute (5). In Deutschland ist von den älteren Blechwalzwerken wenig bekannt. Die Kunst des Feinblechwalzens hatte aber hier begonnen. Andrew Yarraton und John Hanbury führten zwar das Blechwalzen in England ein. Sie hatten das Verfahren aber zuvor im sächsischen Erzgebirge  kennen gelernt (6). Obwohl Hanbury 1697 behauptete, es sei seine eigene Erfindung.

1842 goss die Firma Engelbert Achenbach seelig Söhne als erste im Siegerland Hartwalzen. In den 1950er Jahren lagen etwa acht von zehn der bedeutenden Deutschen Walzengießereien im Siegerland, die circa 80% der deutschen Walzenproduktion abdeckten. Etwa 30% dieser Walzen gingen ins Ausland. Ja, auch heute noch haben die Siegerländer Walzen Weltruf! 

Bei Gebr. Klein Dahlbruch wurden 1837 auch

Die seinerzeit größte Walzendrehbank der Welt wurde 1975 bei Gontermann-Peipers in Betrieb genommen

schon Walzen gegossen. 1856 konstruierte und baute diese Firma fertige Walzwerke für Luppen und Bleche. 1927 wurden die Gebr. Klein von der Siegener Unternehmerfamilie Weiss übernommen. Die Weisses trafen eine kluge Entscheidung und legten ihren unternehmerischen Schwerpunkt nach Dahlbruch. Sie hielten an dem Know - how des Walzwerkbaus, den sie weiter entwickelten, mit dem Namen Siemag, fest. Heute ist die Siemag auf  allen Kontinenten vertreten und Weltmarktführer auf dem Gebiet des Walzwerkbaus. 

Das Feinblechwalzen hatte im Siegerland einen enormen Erfolg. Dieses war jedoch nur zum Teil darauf zurückzuführen, dass die Menschen hier seit Jahrhunderten verstanden, mit dem Eisen umzugehen. Es war vor allen Dingen das manganhaltige Erz, was im Siegerland gewonnen wurde. Dieses Spezialeisen aus Siegerländer Hütten eignete sich ganz

Walzvorgang bei einem Blech

besonders für Hartwalzen. Denn an ihre Oberfläche wurden beim Kaltwalzen hohe Ansprüche gestellt.

Eine völlige Umstellung brachte das Kaltwalzen, als es in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts auch im Siegerland eingeführt wurde und eine große Bedeutung erlangte. Die Blechtafel wich dem Breitband. Das Werk Eichen der Hüttenwerke Siegerland AG hatte mit dem neuzeitlichen Walzverfahren Schritt gehalten. Beispielhaft ist die Entwicklung vom alten Eichener Hammerwerk zu einem der modernsten Breitbandkaltwalzwerke unseres Kontinentes seinerzeit. Hier in Eichen hatte sich einst der Werdegang der Eisenverarbeitung vom gesamten Siegerländer Raum gezeigt.   

 

Quellennachweis:
1. Die geschichtliche Entwicklung der Walzwerkstechnik, Seite 254 von Otto Johannsen
2. Siegener Münzwalzwerke um 1550, Seite 76 von Franz Maria Feldhaus
3. Das Siegerländer Industriegebiet, Seite 125 von Hans Kruse
4. Die geschichtliche Entwicklung der Feinblechdarstellung, Seite 110 von G. Hundt
5. Die geschichtliche Entwicklung der Walzwerkstechnik, Seite 258 von Otto Johannsen
6. Die geschichtliche Entwicklung der Walzwerkstechnik, Seite 263 Von Otto Johannsen
 

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