Haspelknechte

Haspelknechte leisteten Schwerstarbeit

Haspelknechte, ein Wort das heute von den meisten Menschen nicht mehr einzuordnen ist, gehörte einst zum Siegerländer Sprachgebrauch. Es wurden die Männer im Bergbau Haspelknechte genannt, die das Untertage abgebaute Berggut durch Hochwinden nach oben förderten. Diese wohl größte kräftezehrende Arbeit in einer Grube geschah mittels einer  Förderhaspel. Sie bestand aus einer drehbaren,

Bergbau im 16. Jahrhundert - Vor dem Einsatz der Wasserkraft hoben “Haspelknechte” Bergleute, Erz, Gestein, Wasser und Werkzeuge ans Tageslicht

waagerecht liegenden Trommel, die an beiden Seiten mit einem Zapfen im Lager lag. Die Trommel selbst war ein drehbarer, walzenförmiger Hohlkörper, auf der sich das tragende Drahtseil oder die Kette, an der die Last hing, auf und ab bewegte.

Der Umlauf der Trommel wurde damals durch Menschenhand mit Kurbeln ausgeführt. Die Kurbeln waren an den Kopfseiten der Trommel versetzt angebracht. Im Müsener Stahlberg, der bekanntesten Erzgrube des Siegerlandes, wurde um 1750 das abgebaute Gestein über zwei Schächte von 70 und 80m Tiefe mühsam nach oben gefördert. Jährlich mussten etwa 910  Wagen Erz von circa zwei Tonnen durch acht Männer, die man wegen der sehr schweren Arbeit Haspelknechte nannte, mit Übersetzung nach oben gedreht werden. Aber auch dass nicht abfließbare Wasser musste aus der Grube nach oben gewindet werden.

Die Wagen hatte eine Größe von 24 Maß. In ihm lagen etwa 1,3 Kubikmeter Abbaugut mit einem Gewicht zwischen 1 800 und 2 400 Kilogramm. Die Arbeit war so anstrengend, dass die meisten Hochwinder sich völlig verausgabten. Viele erlitten gesundheitliche Dauerschäden. Es soll sogar einige gegeben haben, die so entkräftet waren, dass sie an der Haspel starben. Ja es waren wirkliche Knechte der Haspel. Allerdings wurde diese Arbeit des

So etwa muss man sich den alten Stahlberger Bergbau vorstellen - Gut zu sehen die Haspelförderung

Bergknechtes als geringwertig angesehen, deswegen erhielt er auch mit den geringsten Lohn aller Bergleute.

Die Höhlen, in denen das Erz abgebaut wurde, waren Mitte des 18. Jahrhundert in der bedeutenden Müsener Grube so groß, dass bequem ein Dorf von 100 Häusern darin Platz gefunden hätte. Die Grube Stahlberg, wie der Bergbau allgemein, hatte aber auch viele Opfer gefordert. So wurden in dem Bergmannsdorf Müsen 1789 bei 120 Haushaltungen 41 Witwen registriert.

Oberbergmeister Johann Heinrich Jung, wurde 1711 in Grund geboren und am 22. Februar des Jahres in der Pfarrkirche zu Hilchenbach getauft. Der genaue Geburtstag ist nicht bekannt. Er liegt etwa eine Woche vor seiner Taufe. Er war ein Patenonkel von dem berühmten Jung Stilling und  beendete 1755 die quälende handbetriebene Kurbelhaspel durch eine wassergetriebene Förderhaspel. Dies geschah durch ein genau ausgewuchtetes Wasserrad von 11,5 m Durchmesser. Das Rad hatte dreißig Aufschlagschaufeln, die etwa 30 cm breit waren. Das oberschlächtige Wasserrad wurde durch Wasser aus einem Rinnsal von zwei Auffangbecken in Bewegung gesetzt.

An einer Welle des Wasserrades waren zwei Kronräder angebracht. Über diese Zähne

Oberbergmeister Johann Heinrich Jung. Nach einer Lithografie von Fr. Schneck 1837

wurden die beiden Haspeltrommeln, die auch Kronzähne hatten und um die sich das Bergseil windete, angetrieben und so nach oben bzw. unten gelassen. Durch Ausklinken standen die Trommeln still. Der Erzkübel mit circa 230 Pfund Inhalt konnte nun oben ent- und unten beladen werden. Bei alledem lief das Wasserrad gleichmäßig weiter. Es konnte nur durch Sperrung der Zulaufrinne angehalten werden. Jung nutzte dabei die letzten Geheimnisse des Hebelgesetzes aus, denn das Wasser musste wieder aus dem Berg herausgeförtert werden. Aus diesem Grunde kam das Aufschlagwasser auch nur aus einer 10 cm breiten und 5 cm hohen Rinne.

Für diese gut laufende Wasserwinde erhielt Jung 300 Reichstaler von den Gewerken, obwohl sie hierdurch im Jahre weit über 200 Reichstaler an Kosten einsparten. Fachleute und Eigner bezweifelten vor dem Bau das Gelingen einer wassergetriebenen Fördermaschine. Deswegen war die Bezahlung auch nur unter der Bedingung des

Skizze von der von Johann Heinrich Jung Anno 1763 errichteten Wasserhebeanlage in der Grube Stahlberg in Müsen

Erfolges fällig. Jung hätte also im Falle eines Scheiterns alle Aufwendungen aus eigener Tasche zahlen müssen. Hieraus lässt sich erkennen, wie überzeugt und sicher der Obermeister von der erfolgreichen Verwirklichung seiner Pläne und Berechnungen war. Ebenso wurde eine Wasserhebemaschine für die Grube Stahlberg von Jung entwickelt und gebaut. Aber auch eine Treppe wurde von J. H. Jung für den Stahlberg konzipiert und gebaut.  Diese Treppe ging hinunter bis auf den tiefsten Gang aber auch zum Auftritt aus dem Berg.

Die von Jung erbaute Fördermaschine, die eine große Errungenschaft zur damaligen Zeit darstellte, lief 25 Jahre einwandfrei. Sie wurde im Jahre 1780 durch den Stahlberger  Erbstollen überflüssig. An diesem Stollen hatte man genau 40 Jahre gebaut, bis man in der Tiefe der Martinshardt auf die mächtigen Erzvorkommen gestoßen war. Es war ein leicht ansteigender Stollen aus dem das Erz

Vor dem Mundloch der Grube Heinrichssegen um 1900. v.l.n.r: Grubendirektor
R. Franz, Steiger K. Flender und Betriebsführer Dietermann

abgefahren wurde und vor allem das Wasseraus dem Berg ablief. An der aus heutiger Sicht unglaublich langen Bauzeit kann man erkennen, wie reichhaltig die Erze im Schoß der Martinshardt verborgen waren.

Johann Heinrich Jung besuchte seinerzeit in Grund die Winterschule, denn von Ende April bis September mussten die Kinder in Haus und Hof mitarbeiten. Danach war er Köhlergehilfe bei seinem Vater und lernte das Handwerk von Grund auf. Die weiterführende Lateinschule in Hilchenbach durfte der sehr begabte Knabe nicht besuchen, da seine Eltern es nicht bezahlen konnten. Aber der Rentmeister Johannes Aurand von Stift Keppel gab ihm kostenlos Mathematikunterricht. (Rentmeister wurden damals die kirchlichen oder landesherrlichen Finanzverwalter genannt.) So ging er, wenn die Waldarbeit beendet war, nach Allenbach erhielt Unterricht und kehrte gegen Mitternacht ins

Knappenabordnung vor dem Tiefen Stollen in Müsen, an dem man 40 Jahre gebaut hatte

Elternhaus nach Grund zurück. Er befasste sich viel mit Astronomie, Mathematik und Mechanik. 1729 wurde er Schulmeister in Littfeld und bildete sich auch hier weiter. Durch den Verkauf seiner Drechselarbeiten verdiente er sich ein Zubrot. Zuvor war er bereits 1726 Lehrer in der Nachbargemeinde Lützel und im darauffolgenden Jahr Lehrer in seinem Heimatort Grund.

J. H. Jung erlernte die Markscheidekunst, da Littfeld zu dieser Zeit durch und durch vom Bergbau geprägt war. Das Berechnen und Vermessen der Gruben unter Tage nennt man Markscheiden. Es wurde dabei die Stelle bestimmt, wo die Wetterschächte  in den Berg getrieben werden solten. Von der Genauigkeit dieser Berechnung hing die Wirtschaftlichkeit einer Grube ab. Jung bekam sehr schnell einen ausgezeichneten Ruf und war ein sehr bekannter und gefragter Mensch weit über das Siegerland hinaus, denn er konnte Gangkarten

Froschlampe mit Riegelverschluss aus Messing. Sie wurde vom Markscheider getragen, um die einst wichtige Kompassnadel nicht abzulenken

für den Bergbau bis auf den Zentimeter genau zeichnen. Er war schon zu Lebzeiten eine Persönlichkeit und hat den Siegerländer Bergbau positiv beeinflusst wie wohl kaum ein anderer. Aber auch seinen berühmten Neffen Jung Stilling hatte er tüchtig gefördert.

Auch ein Erzpochwerk bei Littfeld für die Aufbereitung von Erz ließ er errichten. Weiterhin eine Sägemaschine für den Holzbedarf der Bergwerke sowie eine Erzschmelzhütte. Einen Reckhammer zur Herstellung von Flacheisen wurde nach seinen Plänen in Littfeld gebaut. Die Feilenfabrik, die um 1770 in Müsen erstand war auch seine Idee. Jung hatte ein sehr großes Wissen, so war der gelernte Köhler auch Marktscheider, Mechaniker, Landvermesser, Ingenieur, Bergmeister, Berg- und Hüttensachverständiger sowie Unternehmer. In Dankbarkeit an die segensreiche Arbeit von Johann Heinrich Jung, nannten seine

Die Gebäude der Grube Heinrichssegen um 1910 in Littfeld. Im Hintergrund die Abraumhalde der Müsener Grube Altenberg

Nachkommen 1820 eine Grube in Littfeld ,,Heinrichsegen.‘‘

Sein Grab befindet sich heute noch vor der ev. Kirche in Krombach, wo er am 28. Februar 1786 beigesetzt wurde. Eine Straße sowie die Grundschule in Littfeld tragen den Namen dieses großen Siegerländer Sohnes.

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