Wiener Kongress

Als das Siegerland vor 200 Jahren nach Preußen kam

Der Wiener Kongress im Jahre 1815, der nach den Napoleonischen Kriegen tagte, bestimmte die Neuordnung Europas. Hierbei wurde also vor gut 200 Jahren im

Die Karte zeigt Europa nach dem Wiener Kongress 1815 -
Bild aus Wikimedia gemeinfrei

Frühjahr 1815 auch das Fürstentum Siegen dem Königreich Preußen zugesprochen. Es gab zu dieser Zeit in Siegen keinen Grafen. Der Prinz von Oranien reagierte von den Niederlanden aus und tauschte Nassau-Siegen gegen Luxemburg ein.

Das Siegerland gehörte seinerzeit zu den bedeuteten Montanregionen Deutschlands. Aus diesem Grunde hatte sich auch Preußen dieses Filetstück ausgesucht. Aber auch durch seine weltbekannte Sohlenlederherstellung war es zu Wohlstand und Ansehen gelangt. Daher war es auch kein Wunder, dass Siegen zu den 24 europäischen Städten zählte, mit denen die Handelsmetropole Nürnberg durch eigene Verkehrswege verbunden war.

Der neue Pastor Weidenbach wurde am 7. Mai 1815 in sein Amt in Müsen eingeführt. Dieser aufrichtige Mann hielt sechs Predigten gegen die französische Fremdherrschaft. Die Predigten, die groß angekündigt wurden, hießen Reden unter dem Drucke und der Befreiung des Vaterlandes. Bereits am 15. Juni 1815 starb plötzlich Pastor Weidenbach im Alter von 47 Jahren an einem Schlagfluß. Er hatte also seinen

Vor gut 200 Jahren wurde in Wien die Neuordnung Europas beschlossen - Foto: LN-Archiv, dpa

Dienst nur fünf Wochen in Müsen verrichten können schrieb Hermann Engelbert in seinem Buch Hinterhüttsche Chronik. Sieben Jahre hatte das Siegerland unter der Napoleonischen Herrschaft gestanden. Die Fremdherrschaft hatte das Nationalempfinden der Siegerländer wachgerüttelt.

Am 26. Juni 1815 hatte man im Siegerland vernommen, dass nur ein Teil unseres Vaterlandes an die Preußen gehen sollte und der Rest an den Herzog von Nassau fallen würde. Die Teilung hatte allen sehr leidgetan und es kam Unmut auf. Deswegen wurde eine Abordnung zum König von Preußen gesandt, um die Teilung zu verhindern. Es waren Inspektor Dr. Achenbach, der Hofrat Röttger und A. A. Dresler. Sie bekamen die Zusage, dass das Siegerland demnächst wieder vereint würde. Unser bisheriger Fürst, der König der Niederlande, hatte am 29. Juli 1815 einen Teil unseres Landes an Preußen übergeben. Dem Einheitsstaate Friedrich des Großen angegliedert, jenem Preußen also, welches gerade dadurch groß geworden war, well es seine verschiedenen Gebiete unter eine straffe Verwaltung gestellt hatte.  Der vom Kreis Siegen an Preußen abgegebene Teil umfasste 26.707 Einwohner.

So war es auch kein Wunder, dass Prinz Wilhelm Friedrich von Oranien (von 1815 bis 1840 als König Wilhelm I. der Niederlande) in seinem Entlassungspapier vom 12. Juli

Preußen hebt am 30. April 1815 die Provinz Westfalen in Wien aus der Taufe -
Foto: LWL

1815 von den schmerzlichen Gefühlen sprach, die ihm bei der Freigabe seiner an Preußen fallenden Untertanen erfüllten. Wörtlich sollte er erklärt haben: "Die Abtretung der Besitzungen ist uns angesonnen worden und nur die Überzeugung, dass die Erhaltung des Friedens und allgemeines Menschenwohl ein solches Opfer unvermeidlich machten, hatte uns bewegen können, dieses Ansinnen zu willigen. Besitzungen, die seit Jahrhunderten das Erbe unserer Väter waren aufzugeben und uns von Untertanen zu trennen, die wir so herzlich liebten und von denen wir so viele rührende Beweise treuer Liebe und Anhänglichkeit erhalten hatten."

Der oranische Prinz war gerade König der Niederlande geworden als er diese Worte aufs Pergament brachte. Doch er erinnerte sich gerne an die oranientreuen Siegener, denen er als Erbprinz mit seinem Vater Wilhelm V. 1789 einen Besuch abgestattet hatte. Am ersten Januar 1788, also ein Jahr vorher, war in Siegen ein feierlicher Dank-, Bet-, und Freudentag begangen worden, welcher der Wiederherstellung des Hauses Nassau-Oranien in den Niederlanden gelten sollte.

Ein starkes preußisches Heer hatte im September 1787 Amsterdam besetzt und die Herrschaft von Wilhelm V. wiederhergestellt. Die Stadt Siegen zeigte an diesem Tage noch einmal ihren ganzen Bürgerstolz. Laut dröhnte der Donner der schweren Böller ins Land hinein und die Glocken der Kirchen erklangen feierlich. Ein langer Zug nach den Zünften geordnet und angeführt von den Herren des Stadtrates bewegte sich auf die Kirche zu. Sie hatten lange Mäntel an und einen schwarzen Dreimaster auf dem Kopfe.

Preußische Fußartillerie der Napoleonischen Kriege 1814 bis 1815 - Bild aus miniatures.de

Drei Tage feierte man im Rathaus und in den Zunftstuben. Es gab Essen für die Armen auf Kosten der Stadt.

Die großen Wünsche der Siegerländer waren nicht in Erfüllung gegangen. Die französische Revolution kam über Europa. Als erstes fiel ihr Holland zum Opfer. Wilhelm von Oranien und seine Frau Wilhelmine von Preußen mussten vor den Franzosen und vor den Revolutionären im eigenen Land nach England fliehen. Der Prinz verlor seine holländische Erbhalterschaft.  Als 1795 die batavische Republik gebildet wurde und auch durch die Friedensbeschlüsse die letzte Hoffnung verschwunden war, suchte er 1802 Zuflucht in seinem alten Stammland.

Aber auch hier waren die Verhältnisse schlechter geworden. In Dillenburg war das alte Schloss der Nassauer, auf denen der erste Oranier das Licht der Welt erblickte, im siebenjährigen Krieg vernichtet worden. Der Prinz selbst hatte geduldet, dass man das ausgebrannte Schloss abtrug. In Siegen war das obere Schloss sehr verkommen und das Untere war ebenfalls kaum noch für eine fürstliche Wohnung geeignet. Deswegen schlug der Fürst seine Residenz in Oranien bei Diez auf.

Die Begeisterung war groß als der Fürst über Dillenburg im August 1802 nach Siegen kam. Bis zur Kalteiche zogen die Siegener ihm entgegen. Vor dem unteren Schloss hatten die Hammerschmiede eine

Zinnmedaille mit den Büsten der beteiligten Monarchen und Feldherren -
Bild: Urheber D.J. Mueller

kunstvolle eiserne Ehrenpforte errichtet. Besondere Erze überreichten die Bergleute dem Fürsten. Sie sangen ihm auch ein Lied, das mit folgenden Worten endete. "Doch mehr als Glück und Edelstein und mehr als buntes, reiches Erz gilt Liebe Dir und Liebe weih´n wir ewig Dir mit Hand und Herz!" Revolutionäre kamen im Siegerland nicht zum Vorschein, obwohl die Auswirkungen der französischen Revolution bis in die kleinsten Dörfer vorgedrungen war. Aber in den 1790er Jahren hatten Stadt und Land bei den Truppendurchzügen unsagbares Leid ertragen müssen.

Als Wilhelm V. am 9. April 1806 zu Braunschweig starb, hatte auch für sein Stammland das Schicksal geschlagen. Der neue Fürst Wilhelm Friedrich besuchte im Juni noch einmal Dillenburg. Aber nach Siegen konnte er nicht kommen denn hier lagen französische Truppen seit Anfang Mai. Nachdem die Rheinbundakte am 12. Juli 1806 geschlossen wurde hatte Nassau-Oranien aufgehört ein deutscher Staat zu sein. Die Fürstentümer wurden zum Großherzogtum Berg und an das Fürstentum Diez geschlagen.

Etwa 12.000 Einwohner der Ämter Netphen, Burbach und Neunkirchen sowie die Dörfer Wilgersdorf, Wilnsdorf und Umgebung wurden beim Wiener Kongress 1815 zum Ausgleich an Hessen gegeben. Bei diesen Grenzbestimmungen am 2. August 1815 wurde noch folgendes geregelt. Nassau erhielt außer den 12.000 Personen noch 5.405 Morgen Hochwaldungen, 2.196 Morgen Hauberge, eine Silberhütte bei Deuz, eine Blei- und Silbergrube, die Landeskrone und noch 11 Stahl- und Silbergruben, wovon nur drei Wert

Empfang der verbündeten Monarchen in Wien 1814 anlässlich des Wiener Kongresses - Bildarchiv der ÖNB

hatten. Preußen bekam, wie es hieß, den unermesslich großen Schatz an Stahl, Eisen, Silber, Blei usw., welche die Siegenschen Gebirge in sich fassten. Auf einer Fläche von sechs Quadratmeilen waren vier Silberhütten, zwei Kupferhütten, 15 Stahl- und Eisenhütten, 43 Stahl- und Eisenhämmer, zwei Schleifwerke, 35 Kupfergruben, 19 Kobaldgruben, 12 Silber- und Bleiwerke sowie 81 Stahl- und Eisengruben. Ferner verblieben Preußen außer dem Haubergsland noch 10.500 Morgen Hochwald.

Für die preußischen Staatskommissare Hartig und Fuchsius, die das Siegerland in den preußischen Staatsverband übernehmen mussten, hatte die Stadt Siegen am 30. Juli 1815 ein Festessen gegeben. Sehr feierlich mit Glockengeläut und dem Donner der Böller ist am 16. August in der Stadt Siegen das preußische Besitzergreifungs-Patent vorgelesen und angeheftet worden. Das wir Preußen geworden sind wurde am 17. August feierlich auf den drei Hütten verkündet. Mit einer Landsturmkompanie und Musik hatte sich der Magistrat zu den Hütten aufgemacht und das Patent verlesen lassen. Zum Schluss hatten sie sich alle in das Hoch auf den König von Preußen eingestimmt.

Die Preußen gingen eilig daran, den uralten

Wiener Kongress Abschlussdokument. Es befindet sich im Staatsarchiv am Minoritenplatz -
Urheber: Thomas Lerdl

Siegerländer Bergbau mit seinen Formen und Gesetzen in neue preußische Formen zu zwingen. Das hatte böses Blut gegeben, denn es waren für diese Umformung eine Menge neuer Beamter notwendig. Preußen schickte viele Beamte ins Land die aber auch die erste Geige spielen wollten. Der Steuerdruck ist auch nicht niedriger geworden, wie man uns versprochen hatte. Wir Siegerländer waren hierüber sehr enttäuscht.

Aber das wiedervereinigte Netpherland sowie Burbach, Neunkirchen, Wilgersdorf und Wilnsdorf wurden zunächst nicht ein Teil von Westfalen, sondern es wurde von Koblenz regiert. Erst der Oberpräsident Freiherr von Vincke sorgte dafür, dass diese Orte am 1.Juli 1817 in die Provinz Westfalen wechselten. Damit war das Siegerland wieder vereint und gehörte komplett zu Preußen.

 

 

Literaturhilfe:
Dr. Hans Kruse: Das Siegerland 1815-1915
Adolf Müller: Siegerländer Mosaik
Westfalenpost: Netphens Preußen sind eigentlich Hessen
Dr. Wilhelm Gühtling  Das Siegerland in der Vergangenheit
Hermann Engelbert: Hinterhüttsche Chronik

 

 

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