Neue Bürgerwehr

Bürgerwehr wird in Hilchenbach gegründet

Im Sturmjahr 1848, so nannte man einst das Jahr, in dem die deutsche Revolution scheiterte, standen auch zwei Siegerländer mit an der Spitze dieser demokratischen Bewegung. Beide waren Landärzte, die das bittere Elend der Menschen täglich erlebten. Es waren Dr. Ernst Ungewitter aus Krombach und Dr. Hermann Romberg aus Hilchenbach.

Hermann Romberg wurde am 22. Mai 1812 in Delitzsch bei Leipzig geboren. Nicht lange nach seiner Geburt geriet der Vater in russische Gefangenschaft, aus der er sich durch eine kühne Flucht befreite. Hermann besuchte als Knabe das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Köln. Sein Vater war zu dieser Zeit als Kapellmeister beim preußischen Infanterie-Regiment Nr. 16. Von 1832 bis 1839 studierte Romberg in Bonn und Berlin Medizin. Den Doktorgrad erwarb er in Bonn und ließ sich 1839 als praktischer Arzt in Hilchenbach nieder.

Als Primaner lernte er Robert Blum kennen. Sie wurden Freunde. Blum war einer der bekanntesten Männer im ersten deutschen Parlament, der Nationalversammlung in der Paulskirche zu Frankfurt, und einer der bekanntesten Republikaner der deutschen Märzrevolution.

Dr. Hermann Romberg (*1812 in Delitzsch bei Leipzig, +1877 in Hilchenbach)

Als im Herbst 1848 der Volksaufstand in Wien von kaiserlichen Truppen niedergeschlagen wurde, war Blum als Berichterstatter für Zeitungen dort. Er wurde gefangen genommen und vor ein Kriegsgericht gestellt, vor dem er seine Überzeugung und sein Handeln mannhaft bekannte und verteidigte. Er wurde verurteilt und eine Stunde später, am Morgen des 9. November hingerichtet.

Dr. Romberg, der junge Mediziner, war schon acht Jahre in Hilchenbach tätig, als Blum erschossen wurde, was ihn tief getroffen hatte. Seine Landpraxis war nicht einfach zu führen, denn sie führte bis ins Sauerland. Mit dem Pferde wurden die Krankenbesuche durchgeführt.

Bei Romberg, der als Arzt mehr Armut, Elend, Unterdrückung und Ungerechtigkeit gesehen hatte als die meisten Menschen, wurde der Gedanke an Demokratie und Freiheit für das deutsche Volk immer größer.

So organisierte er für den 22. März im Sturmjahr eine Volksversammlung in Hilchenbach auf dem Marktplatz. Er hätte ein viel besseres Leben haben können, denn er behandelte neben den Armen auch die Wohlhabenden vom Ferndorftal. Aber der Wert von Gerechtigkeit war bei im höher. In den Augen von Hilchenbachs Bürgermeister Schmitt war Romberg von den radikalsten, demokratischsten Gesinnungen beseelt. Er war nach den Begriffen der Zeit ein Republikaner, mithin ein Linker wie sein Freund Blum. Der Hilchenbacher Gemeindeschöffe berichtete dem Landrat, dass durch das energische Benehmen mehrerer wohlgesinnter Bürger das Rombergische Vorhaben vereitelt wurde. Denn viele Bürger, auch aus anderen Gemeinden, hatten sich schon auf dem Marktplatz in Hilchenbach versammelt und wurden zur Rückkehr bewogen.

Romberg blieb jedoch unter besonders sorgfältiger Beobachtung der Obrigkeit. Trotzdem behielt er großes Vertrauen, auch durch seine Fähigkeiten als Arzt in den Gemeinden. Aber man hatte Angst vor den drohenden Zuständen der damaligen Zeit und vor ihm. Aus diesem Anlass rief der Magistrat von Hilchenbach (Stadtrat) am darauf folgenden Tage zur Bildung eines Schutzvereins aller waffenfähigen Bürger auf. Das revolutionäre Verhalten von Romberg war Anlass zur Gründung der Bürgerwehr zu Hilchenbach. Aber auch in anderen Gemeinden des Ferndorftals ist eine Bürgerwehr damals ins Leben gerufen worden.

Zu Rombergs vielseitigen geistigen und künstlerischen Fähigkeiten gehörte auch die musikalische Begabung. Kurz nach der Niederlassung in Hilchenbach gründete er bereits 1841 den Männergesangverein, die Liedertafel Hilchenbach, dessen Dirigent er war. Es waren nicht nur Hilchenbacher, sondern Männer aus dem weiteren Ferndorftal hier aktiv. ,,Der Liedertafel selbst konnte man nichts nachsagen, denn ihre Ziele waren gut’’, so der Bürgermeister Schmitt. ,,Es ist jedoch unzweifelhaft, dass der Führer und Stifter der Liedertafel, Dr. med. Romberg, hierselbst von der radikalsten Gesinnung beseelt ist, und dass alle jungen Leute dieser Stadt, welche der demokratischen Gesinnung verdächtig sind, als Mitglieder bzw. Ehrenmitglieder der Liedertafel angehören.’’ Die Proben und öffentlichen Aufführungen faden im großen Saal von Stift Keppel statt und waren für das ganze Ferndorftal  stets ein Ereignis.

Romberg war auch ein Meister der Sprache und Poesie. Er schenkte der Liedertafel zum 25jährigen Bestehen und dem Siegerland 1866 ein Lied von besonders tiefer Empfindung. Er hat es selbst gedichtet und komponiert. Es ist erstaunlich, dass so etwas einem Manne gelang, der nicht im Siegerland geboren war, aber doch ein echter ,,Seejerlänner’’ geworden ist. Besonders eindrucksvoll ist dieses Lied 1866 in der hell erleuchteten und geschmückten Halle der Sohle sieben  in den damals berühmten Müsener Stahlberg zum ersten mal aufgeführt worden. Als der verehrte Oberbergrat Nögerraht mit vielen Gästen aus dem Rheinland die Halle betrat, kam Romberg überraschend für alle aus dem Versteck und es klang prächtig und herzzerreißend durch die erzene Halle das Siegerlandlied, was vierstimmig von der Liedertafel vorgetragen wurde: ,,Kennt ihr das Land, auf dessen Höh’n die starken Eichenstämme steh’n, darunter in dem dunklen Schacht das Erz im hellen Schimmer lacht ….’’ (Um den kompletten Text zu lesen bitte hier klicken!)

Seinen Zeitgenossen hat Romberg sehr viel geschenkt, was heute unmöglich wäre. Er sprach unter anderen vor Lehrerschaften über Pestalozzi, Georg Washington und über den Sozialismus. Er konnte auch sehr gut malen, was Bilder von Hilchenbach noch heute bekunden. Aber auch zu den bedeutenden Dichtern seines Jahrhunderts zählte Hermann Romberg. Der bedeutendste unter

Der Hilchenbacher Markt 1850 - Die Marktkirche hat noch keine Türme (Bleistiftzeichnung von Dr. Hermann Romberg) )

Ihnen war der Lehrersohn Jacob Heinrich Schmick, der am 27. August 1824 in Unglinghausen geboren wurde. Er erhielt 1874 vom Kultusminister aufgrund seiner literarischen Tätigkeit den Professorentitel, den Doktortitel hatte er bereits vorher erworben. Aber auch Gustav Hartmann, der am 6. August 1864 in Eiserfeld, als Sohn des Grubenbesitzers Johannes Hartmann geboren wurde, zählte zu den großen der Poesie.

Dem großen Mitstreiter der Demokratie im Siegerland, Dr. Ungewitter widmete sein Freund Romberg zum 50jährigen Arztjubiläum am 28. Mai 1874 ein Gedicht. In dem ersten der vier Verse heißt es am Ende: ,,Sennsenmannes Feind war er, ihn bekämpfte er 50. Jahr. Und besiegte wunderbar, oft den bösen Schnitter, dieser Doktor Ungewitter.

Der Siegerländer Dichter Schmick war auch ein überzeugter Demokrat, mit Romberg eng befreundet und Mitglied von der Liedertafel Hilchenbach.  Schmick, Dichter der ,,Riimcher uß  d’m Seejerland ’’, hat einmal zu Rombergs Sohn Pastor Friedrich Romberg, als sie über das Revolutionsjahr sprachen, gesagt: ,,Was ihr Vater gewollt und erstrebt hat, ist immer das Beste und einzig Richtige gewesen. Ich habe ihren Herrn Vater besser gekannt als jeder andere, seine eigenen Söhne nicht ausgenommen.’’ Der zweite Sohn war der 1908 in Ferndorf verstorbene Superintendent Pastor Hermann Romberg.

Romberg starb am 29. Juni 1877. Schmick würdigte den großen Sohn des Siegerlandes in tief empfundener poetischer Weise. Zum Schluss des fünften Verses heißt es: ,,In Hilchenbach, im Ferndorftale, wird lange noch die Rede geh’n. Es perlte voll der Freude Schale, zu Rombergs Zeit, da war’s noch schön’’.

Das Grabmal von Dr. Hermann Romberg, das heute noch auf dem alten Hilchenbacher Friedhof an der Rothenberger Straße erhalten ist, wurde von seinen Freunden errichtet. Auf dem unteren Teil der Grabsäule stehen folgende Worte von Prof. Dr. Schmick: ,,Allen höchsten menschlichen Zielen zustrebend, war er einen wenigen ein Schatz voller Freundschaft, vielen ein Quell veredelnder Freunde und Tausenden ein trostloser Helfer“.

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Das Siegerland (von Dr. Hermann Romberg, 1866)

Kennt ihr das Land, auf dessen Höh’n
Die starken Eichenstämme steh’n,
Darunter in dem dunklen Schacht
Das Erz in hellem Schimmer lacht;
Wo felsenfest die Treue thront,
im Herzen lichter Glaube wohnt?
Kennt ihr das Land, kennt ihr es wohl?
Das schöne Land ist uns bekannt,
Es ist das treue Siegerland!

Kennt ihr das Land, wo früh und spat
im Wllentanz sich schwingt das Rad,
Die Funken sprühn bei Nacht und Tag
Im Takte pocht der Hämmer Schlag;
Es schlägt voll Liebe auch das Herz
für fremdes Glück, für fremden Schmerz?
Kennt ihr das Land, kennt ihr es wohl?
Das schöne Land ist uns bekannt,
Es ist ja unser Siegerland

Kennt ihr das Land, wo rein und hell
Im Wiesengrunde springt der Quell,
In grünen Matten zart und mild
Sich malt der Hoffnung süßes Bild;
Wo auch der schwerste Lebenslauf
Sich hoffend stärkt und ruft “Glück auf!”!
Kennt ihr das Land, kennt ihr es wohl?
Das schöne Land ist uns bekannt,
Es ist das frohe Siegerland!

Heil dir, o Land! Es fehle nie
Dir diese Lebensharmonie!
O bleibe immerdar dir gleich
An Glauben, Lieben, Hoffen reich!
Dann segnet Gott dich allezeit,
Er ist bei dir in Freud und Leid
Und schützt mit seiner Vaterhand
Dich, mein geliebtes Siegerland

 

 

 

Das von Dr. Hermann Romberg) getextete und komponierte Siegerland-Lied in seiner Original-Handschrift