Wasserturm Deuz

Der Wasserturm am Bahnhof Deuz war der Letzte

Vor 115 Jahren erhielt das bis dahin ländlich geprägte Netpherland durch die Kleinbahn Weidenau - Deuz endlich ein zeitgemäßes Verkehrsmittel und den für die deutlich einsetzende Industrialisierung lange

Bahnhof Erndtebrück mit Wasserturm in den 1970er-Jahren
Bild: Manfred Ritter in Rothaarbahn

vermissten Anschluss an die große weite Welt. Viele Jahrzehnte gehörten seinerzeit die Wassertürme zur Standardausrüstung eines jeden wichtigen Eisenbahnknotenpunktes. Sie überragten meistens alle Gebäude wie Lokschuppen, Stellwerke und Bahnhöfe. Mit der schrittweisen Einführung der Diesellokomotiven bei der deutschen Bahn Anfang der 1960er Jahre verloren sie immer mehr ihre Daseinsberechtigung. Erst wurden sie stillgelegt, dann vergessen und schließlich gesprengt oder der Abrissbagger legte sie in Schutt und Asche.

Um Dampf für den Betrieb zu erzeugen brauchte die Dampflok, die auch Dampfross genannt wurde,  große Wassermengen. Selbst eine kleine Bimmelbahn Lokomotive hatte schon auf beiden Seiten des Kessels Behälter, die drei bis vier Kubikmeter Wasser fassten. Die großen Schnellzugloks hatten einen Tender in den dreißig bis vierzig Kubikmeter Wasser gingen. Dampflokomotiven der Regelbauart bestehen hauptsächlich aus dem Dampfkessel in dem mittels Heizenergie des Brennstoffes aus Wasser Dampf erzeugt wird, einer Kolbendampfmaschine, die die Druckenergie des Dampfes in mechanische Bewegungsenergie umwandelt, dem Fahrgestell mit Rahmen und

Wasserturm am Lokschuppen in Deuz im Jahr 2008
Bild aus Kleinbahn Weidenau - Deuz

Radsätzen und einem Führerstand zur Bedienung der Maschine. Die erforderlichen Brennstoff- und Wasservorräte wurden entweder auf der Lokomotive selbst (Tenderlokomotive) oder in einem fest mit ihr gekuppelten Fahrzeug, dem Tender mitgeführt.

Die weinrote Lokomotive Baureihe 05 war eine Maschine der Superlative. Mit 130 Tonnen war sie eine der schwersten Dampfloks überhaupt. Sie erreichte die Rekordgeschwindigkeit von 200,4 km/h. Dass sie mit Dampf fuhr, sah man ihr nicht auf den ersten Blick an. Sie hatte keinen Schornstein im klassischen Sinne, war stromlinienförmig, wuchtig und weinrot. Den Rekord von über 200 km/h fuhr die 05 002 auf der ausgebauten und verbesserten Schnellfahrstrecke Berlin - Hamburg eher beiläufig am 11. Mai 1936 bei einem Schnellfahrtversuch. Nur eine Dampflokomotive auf der Welt konnte diese Geschwindigkeit einmal überbieten. Die englische "Mallard" erreichte zwei Jahre später 202,8 km/h. Diese Lokomotiven waren die wahren Ungetüme des Schienenverkehrs, wenn auch ihre Ära seit den 70er Jahren vorbei war. Sieht man heute ab und zu eine Dampflock fahren begeistern sie immer wieder die Menschen.

Die Dampflokomotive war im Prinzip eine auf Räder gesetzte Dampfmaschine mit über dem Fahrwerk liegenden Dampfkessel.

Siegbrücke der Kleinbahn Weidenau - Deuz in Netphen im Jahr 2005
Bild aus Kleinbahn Weidenau - Deuz

Die Triebräder des Fahrwerks dienten auch als Schwungräder und waren mit Pleuelstangen verbunden. Die Regelung erfolgte durch Veränderung der Schieber und der Dampfzuführung von dem hinter dem Dampfkessel befindlichen Steuerstand aus, von wo auch der Kessel befeuert wurde.

Da man keinen langen Aufenthalt haben wollte, mussten die Wasserbehälter der Lok schnell gefüllt werden. Aus diesen Gründen gab es Wassertürme, an denen die Lok beim Füllen gefahren wurde. Die Ausleger des Turmes waren dicke Rohre die bis zu 30 cm Innendurchmesser hatten und in den Tender gesetzt wurden. Nach Öffnung flossen dann in der Minute bis zu 10 Kubikmeter Wasser in die Behälter der Lok. Nach etwa zwei bis drei Minuten war die Lok wieder fahrbereit. Der Wasserturm funktionierte ähnlich wie der Spülkasten bei einer Toilette.

Einer der letzten Wassertürme für Dampflokomotiven war der Turm am Deuzer Bahnhof. Er war am Ende des Lokschuppens aufgesetzt und überragte das kostengünstige Ziegelfachwerk um fünf Meter. Beim Bau der Kleinbahn Weidenau - Deuz war die Provinzial - Versicherung beratend zur Stelle gewesen. Sie hatte bereits drei Jahre vor der Deuzer Bahn die Kleinbahn Haspe - Voerde aus der Taufe gehoben. In Voerde war seinerzeit ein zweigleisiger Lokschuppen mit Werkstatt usw. errichtet worden, dessen Kopie auch in Deuz gebaut wurde. Aus diesem Grunde hatte man die Planungskosten senken können. Der obere Teil des quadratischen Turmes war mit einer Bretterverschalung verkleidet. Das der

Gleisanlage der Kleinbahn Weidenau - Deuz
Bild aus siegerlandbahn.de

Wasserturm nicht abgebaut worden war, lag zunächst an dem guten Zustand aber auch, dass er auf einem Lagerschuppen aufgesetzt war. 

Zum Befüllen hätten sie auch an die Wasserleitung gekonnt. Aber wie lange hätte dieses gedauert, wenn man zum Beispiel 30 Kubikmeter zu füllen hatte. Bei kleinen Bahnunternehmen, wo nur bis zu vier Züge am Tage fuhren über eine etwa 20 km lange Strecke machte die Lok immer eine große Pause. Diese fuhren manchmal an einen Bach in dem eine Mulde bebaut worden war und füllte über ihre Speisewasserpumpe die Wasservorräte auf. Die Wassertürme waren meistens Stahlbehälter mit wenigstens zwei Kubikmeter Fassungsvermögen. Nach oben waren keine Grenzen gesetzt. So gab es Türme, die über 500 Kubikmeter Wasser füllen konnten. Durch den Turm lief die Füllleitung aber auch die Überlaufleitung, wenn zum Beispiel der Schwimmer versagte. Aber auch die Druckleitung zum Wasserkran war hier untergebracht. Der Behälter war meistens umbaut mit einer zweiten Außenwand, aber auch der Sockel war entsprechend verkleidet. 

Die Kleinbahn Weidenau - Deuz  GmbH wurde am 4. Juni 1904 gegründet. Das Kapital brachten zu gleichen Teilen  das Königreich Preußen, die Provinz Westfalen und der Kreis Siegen auf. Ziel war es, das Amt Netphen im oberen

Das Bild zeigt den Bahnhof Deuz am Himmelfahrtstag 1907
Foto: Sammlung Mareike Loos

Siegtal mit einer Bahn, der sogenannten Johannlandbahn, zu erschließen, nachdem  die Omnibuslinie Siegen - Deuz  der Netpher Omnibusgesellschaft - eine der ersten in Deutschland überhaupt - die Erwartungen nicht erfüllt hatte. Für die Bewohner des Netpherlandes war ein Verkehrsmittel geschaffen worden, dessen großer Nutzen sich bald zeigen würde. Über mehrere Jahrzehnte entwickelten sich die Verkehrsleistungen positiv. Zwischen 1940 und 1960 wurden jährlich über eine Millionen Fahrgäste mit der Kleinbahn Weidenau - Deuz befördert. Auch nach der Einstellung des Personenverkehrs am 25. Mai 1968 nahm der Güterverkehr noch zu.

Die Bauform der Wassertürme war der jeweiligen Zeit angepasst. Alle hatten einen Hochbehälter, der auf einem Sockel ruhte oder auf das Dach des Lokschuppens gesetzt wurde. Das Äußere war unten schlank und oben wurde es dicker. Während die kleineren Wassertürme wie in Erndtebrück und Hilchenbach runde zylindrische Stahlbehälter hatten, waren bei

Außenansicht vom Bahnhof Deuz im Jahr 2012
Bild aus Alter Bahnhof Deuz

den größeren Wassertürmen meistens ein Kugelbeälter üblich.

Das der Wasserturm am Deuzer Bahnhof so lange stehen konnte, obwohl er schon längst überflüssig war, lag an seinem guten Zustand aber auch das er auf einem Lokschuppen stand.  Wäre es ein alleinstehendes Bauwerk gewesen, hätte er schon längst aus Platzgründen weichen müsse. Das Gebäude stand sogar lange unter Denkmalschutz aber nach der Entwidmung wurde es abgerissen und in Deuz verschwand ein Stück Wild – West - Romantik. Zumindest erinnerten Lokschuppen und Wasserturm entfernt an eine Filmkulisse eines Western. Auf den Bahnhöfen des Sieger- und Sauerlandes waren die Wassertürme längst verschwunden, nur einer durfte länger stehen bleiben. Es war der Turm des Bahnhofes in Deuz, auch wenn er schon lange seine ursprüngliche Funktion nicht mehr erfüllte.

 

 

Literaturhilfe:
Christian Reuter : Lokschuppen verabschiedet sich
Gerd Wolff : Deutsche Klein- und Privatbahnen
You Tube : Dampfloks – Ungetüme auf Schienen
Unser Heimatland 96 : Ein vergessenes Relikt der Dampflokzeit
dbmuseum : Die schnellste Dampflok Deutschlands
Knaurs Lexikon : Lokomotive

 

 

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