Fronarbeit

Fronarbeit Ende des 17. Jahrhundert im Siegerland

Die Klänge der Orgel verhalten im Frühjahr 1690 in der Nikolaikirche zu Siegen und der Gottesdienst war beendet. Der Hammerschmied Ludwig Fick klappte sein mächtiges Gesangbuch zu und ging nach draußen. Dabei schaute er noch einmal nach oben zu den hohen Spitzbögen,

Die Bauern liefern ihre Abgaben an den Grundherrn (Holzschnitt aus dem 15. Jahrh.)

worüber eine fünfklassige Lateinschule für Knaben war, die über einen 72 stufigen Treppenturm zu erreichen war. Ficks Name stand auf einem Messingschild auf einer Bank in der Nähe der Orgel. So wie er hatten auch seine anderen Zunftgenossen ein Namensschild auf einer Bank in der Nähe der Orgel. Denn durch die ständigen Hammerschläge waren ihre Ohren langsam taub.

Fick hatte ein weißes Schurzfell an und einen großen Funkenfänger auf dem Kopf. Mit weißen Strümpfen und den blanken Schnallenschuhen sah er richtig stattlich aus. Als er durch das Marburger Tor schritt, klopfte ihm jemand auf die Schulter. Er trete sich um und sah Henrich Heimberger von Seelbach. Du hattest dich doch bestimmt vertan, denn dein Weg führte doch durchs Kölner Tor.

Heute nicht, denn ich muss nach dem Hofmann zu den Fusselbacher Hof und ihn wegen den Frondiensten, die auch Herrendienste genannt werden, Bescheid geben. Dann gehe mit mir über Buschgotthardshütten. Meine Frau

Ein Bauer, der im Frondienst steht, beim Schärfen seiner Sense (Stich um 1700 von Caspar Luyken)

wird wohl so viel auf den Tisch bringen um dich zu sättigen.

Der Heinberger willigte ein und sie gingen über den Kampen nach Buschgotthardshütten. Sie schritten über die neu erbaute Steinbrücke nach Buschgotthardshütten. Fürst Johann Moritz hatte sie bauen lassen, damit der Hammer auch bei Flutzeiten mit einem Fuhrwerk zu erreichen war. An den Häusern sah man, dass der Wohlstand nach dem Krieg bei den Hammerschmieden wieder eingekehrt war. Besonders schön grüßte das Haus, welches Ficks Großvater 1619 erbaut hatte. 

Der Tisch war schon gedeckt und die feinen weißen Tischleinen mit dem Zinngeschirr kündeten den Wohlstand der Besitzer an. Zu dem reichhaltigen Essen trank man würziges Bier aus einem Glas. Nachdem sie noch einige Schlucke genommen hatten sagte Fick ihr wolltet also nicht zum Frondienst gehen. Von wollen war keine Rede, unser Vieh war krank und wir dürfen doch die Seuche nicht aus dem Ort bringen. Ihr Hammerleute braucht weder Hand– noch Spanndienst zu leisten, ihr ward fein raus. Ja, die Hammerleute gehörten zu den wenigen, die keine Herrendienste zu leisten hatten und seit fünf Jahren brauchten sie nicht einmal am Jagddienst teilzunehmen. Aber unsere Zunft muss dem Fürsten auch jährlich 100 Gulden und 300 Taler zahlen. Aber wir hatten es ja auch.

Sie hatten gut gegessen und Heimberger machte sich auf den Weg nach Herr von

Bauern bei den verschiedenen Fronarbeiten

Seelbach. Was willst du am Sonntagnachmittag bei mir fragte dieser. Morgen erwarte ich dich mit drei Pferden, vier Ochsen und zwei Pflüge zum Herrendienst. Nein mein Vieh wurde verhext es hatte die Seuche und deswegen komme ich morgen nicht. Hofmann nahm den Hut und wollte gerade gehen und sah dabei dem fürstlichen Jäger ins Gesicht. Euer Vieh ist verhext also hatten die Burschen mehr Zeit. Sie sollen Dienstag zur Treibjagd kommen, aber Schaufel und Hacke mitbringen. Dann könnten sie nachmittags den Fischweiher wieder in Ordnung bringen der im Winter sehr gelitten hatte.

Ich müsste noch durch den Tiergarten gehen und nach dem Rechten sehen. Heinberger, ihr könntet bis zur Lusteiche mit mir gehen, dann könnten wir noch alles Weitere besprechen. Sie schritten über den Kutschenweg an der Rossmühle und am Weinkeller vorbei. Nachdem sie noch einiges besprochen hatten, trennten sich ihre Wege in der Hermelsbach.  

Fronarbeit für den Leibherrn (Bild von Wikipedia)

Hofmanns Frau wirtschaftete mit zwei Mägden im Herrenhaus. Kämen am anderen Morgen die Diener vom Schloss, hätten sie noch viel zu tun. Der Hofmann stand in dieser Zeit vor seinem männlichen Gesinde. Nach Clafeld schickte er einen Knecht. Er sollte den Bauern sagen, dass diese und nächste Woche kein Holz abgefahren würde um das Wild nicht in Unruhe zu bringen. Den Kuhhirten befahl er die Kühe unterhalb des Kutschenweges zu hüten, damit die Herrschaften, wenn sie vorbei fuhren sich an dem Geläut erfreuen könnten. Den Schweinehirten verbannte er ins Haardtchen.

Er ging nun in seine Rechenstube, wo ihm

So manche arme Gans landete im Kochtopf des Grundherrn (Bild: Lucys Wissensbox)

eine schwere Arbeit mit dem Gänsekiel erwartete. Es wäre nämlich zu erwarten, dass der Landesherr sich die Jahresabschlussrechnung vorlegen lassen würde. Darum musste er alle Eintragungen ergänzen und überprüfen. Wir schauten ihm heimlich (sinngemäß) über die Schulter und lasen was uns wichtig und interessant war.

Die Dienstleute waren: Der Hofmann und seine Frau, zwei Knechte, drei Mägde, ein Schäfer und ein Hilfsschäfer, ein Kuhhirt und ein Schweinehirt.

An Vieh wurde auf dem Hof gehalten: 70 Rindvieh, davon 35 Milchkühe, 210 Schafe, davon 29 Lämmer und 33 Schnittschafe, welche die fürstlichen Untertanen abgeliefert hatten. 128 Schweine, darunter 42 abgelieferte von den fürstlichen Höfen zu Merklinghausen, Ginsberg und Lohe. 1 blindes Pferd zum treiben der Rossmühle und 2 Zugochsen. 152 Hühner, dazu 613 vom Land, jedes Haus musste jährlich 2 Zinshühner liefern.

An Ernte wurde eingefahren: 30 Malter

Leibeigene während des Frondienstes im 18. Jahrhundert (Bild: alamy stock)

Roggen, 15 Malter Gerste, 90 Malter Hafer und 73 Malter Buchweizen (ein Malter waren 1,5 Zentner).

An den fürstlichen Hof in Siegen wurde geliefert: Für 101 Reistaler und 30 Albus = Butter, Schmand und Milch. Weiterhin 5000 Knippkäse und 131 Maß Milch für junge Hirsche und Wülfe (junge Hunde). 160 Maß Milch an Bäcker Fries  zum Backen von Weißbrot für die fürstliche Tafel. 2261 Eier. 4 Maß Butter an Apotheker Trainer zur Herstellung von Arzneien. 50 Hinkel während der Krankheit des Fürsten. 1 Malter und 8 Mester Hopfen an Bäcker und Brauer Fries. 2500 Garben Stroh zum Decken des Oranienhauses. 35 Pfund Kernflachs und 50 Ellen grobes Tuch.

Die fürstliche Verwaltung lieferte auf das Gut: 15 Mesten Salz, 113 Pfund Fleisch, 76 Pfund Fett, 1 Pfund und 5 Lot Pfeffer, 5 Maß Weinessig, 4 Maß Trau, 13,5 Maß Rüböl zum Kochen und auf die Lampen, 2 Mester Hirse und 12 Bogen Papier, sowie Heu und Grummet von den fürstlichen Wiesen in Niederschelden und Geisweid.

Frondienste auf den adeligen Gütern vor 300 Jahren (Bild: Marketa Kachlikova)

Das Dorf Hilchenbach befreite sich am 1. Mai 1687 von den Frondiensten. Es erkaufte sich für 6200 Reichstaler Fleckenrechte. Es hatte seinerzeit 77 Häuser und somit mussten 80 Taler für jedes Haus gezahlt werden. Es war nach Siegen der zweite Ort im Siegerland, wo die Bürger keinerlei Herrendienste mehr zu leisten hatten. Solche Freiheiten hatten sich ebenfalls auch die Freudenberger erkauft.

Fronarbeit bzw. Herrendienst war seinerzeit eine unentgeltliche Dienstleistung der Untertanen. Man nannte sie auch Sklaven- oder Zwangsarbeit. In Preußen hat die Aufhebung der Fronarbeit 1807 durch die Bauernbefreiung begonnen. In anderen deutschen Ländern ist sie erst durch die Revolution 1848/49 beendet worden. 

 

 

Literaturhinweis:
Hermann Eberhardt : Die Nikolaikirche zu Siegen 
Hermann Freudenberg : Herrendienst um 1690
Georg Fiedrich Knapp : Die Bauernbefreiung und der Ursprung der Landarbeiter .......
Uni-Heidelberg : Fronarbeit
Der Volksbrockhaus : Bauernbefreiung
Hermann Engelbert : Hinterhüttische Chronik

 

 

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