Uralte Wallburgen

Die uralten Wallburgen im Siegerland

Zu den bedeutendsten Bauwerken im Siegerland aus alter Zeit gehören ohne Zweifel die Wallburgen. Im Altkreis Siegen haben wir sechs solcher Burgen. Sie werden auch Volks-, Flucht-, Flieh-, oder Wehrburgen genannt, da bei Feindeseinbruch oder in Kriegszeiten das Volk einst hierhin flüchtete. Sicherlich sind sie auch als Versammlungs- oder Kultstätte genutzt worden. Die siebte, die ehemals den Gipfel des 528 Meter hohen Hohenseelbachskopf umschirmte, ist vor über einhundert  Jahren den Basaltsteinbrüchen zum Opfer gefallen. Die Wälle dieser so genannten Burgen umgaben in runder oder ovaler Form die Gipfel von einzelnen, meist steilen und hohen Bergen. Eine ständige Bewohnung dieser Burgen hat es selten gegeben. Allerdings sollen auch welche Jahrhunderte lang bewohnt gewesen sein

Die größte und bedeutendste dieser Festungen befindet sich auf dem aufragenden Kegel der 634 m hohen Alten Burg bei Afholderbach. Die Burg hat hier dem Berg den Namen gegeben, und ist aus drei Himmelsrichtungen weithin sichtbar. Sie ist die Königin unter unseren Wallburgen. Hier ist die enorme Fläche von 10 Hektar, was 100.000 Quadratmetern entspricht, von zwei eher runden wie ovalen Wallzügen umschlossen. Der innere Wall ist 680 Meter

Skizze vom Grundriss der Wallburg auf dem Berg “Alte Burg” bei Afholderbach, die dem Berg den Namen gegeben hat

lang mit einer Sohlenbreite von zehn Meter und drei Meter hoch. Die Erdmassen sind unmittelbar neben dem Wall im Inneren ausgehoben worden. Hierdurch ist ein Graben entstanden, der kaum Verteidigungswert gehabt haben dürfte. Der zweite Wall, der davor liegt, hat eine Länge von 1.100 Meter. Er ist kleiner, besonders da, wo das Gelände steil abfällt, denn hier war die Standfestigkeit für  den Angreifer sehr schlecht. Im Süden und Westen ist dieses gewaltige Bauwerk, das mit sehr großem Arbeitsaufwand und geschickter Anpassung an die Bergformen erbaut worden ist, unterbrochen. Hier haben wohl die Tore der Festung gestanden. Bestimmt sind im Belagerungsfall diese Öffnungen durch gewaltige Holzbauwerke geschlossen worden und haben so den Burginsassen Schutz vor den Feinden gewährt. Viele Jahre, ja man muss sogar annehmen, dass Jahrzehnte an solch einer gewaltigen Anlage gebaut wurde.

Wie ein feindlicher Bruder der Alten Burg gegenüber bei Netphen liegt noch eine weitere kleine Fliehburg. In diesem Wallgraben fand man seinerzeit Brandschutt. Es ist ein Zeichen das diese Wallmauer durch Holz abgestützt war, und durch einen Brand vernichtet wurde. Nach der Form der Vorwälle die beide Tore abdecken, gehen Fachleute davon aus, dass diese Burg ein karolingisches (fränkisches) Kriegslager war. Vielleicht haben die Franken auch diese Burg gebaut, um die wichtige Straße zwischen Eder und Sieg zu sichern, die als haustiefer, felsiger Hohlweg zur Lützel aufstieg. Ja, es ist die einzige Wallburg in unserem Siegerland die fränkischen Ursprungs hat. Alle anderen stammen aus der Keltenzeit, sind also lange vor Christi Geburt entstanden.

Eine Unvollendete ist auf dem 598 Meter hohen Burgberg, wovon Burbach seinen Namen erhalten hat. Es kann aber auch sein, dass die fehlenden Wallstücke durch dichte Hecken ersetzt worden sind. Auch der von Sagen umwobene 618 Meter hohe Kindelsberg mit seinem weit ausblickendem Turm, zwischen Littfeld und Müsen gelegen, wird von einem Ringwall umschlossen. Dieser Wall hat einen Durchmesser von 95 Schritten, und der Umfang beträgt einige Hundert Schritte. Der Kindelsberg ist der heilige Berg. Um einen ihrer größten Götter zu ehren nannten die Germanen ihn „Wodansberg“. Die

Wallburganlage in Niedernetphen, Namensgeber für den heutigen Burggraben

Christen wollten ihren Heiland genau so verehren und nannten ihn im 8. Jahrhundert „Berg des Christuskindlein“. Wegen der langen Schreibweise ist hieraus später Kindelsberg geworden. Anfang des 13. Jahrhunderts ließ Graf Heinrich der Reiche von Nassau, auf dem Ginsberg bei Grund, inmitten eines alten Ringwalles, eine Burg errichten. Die Bezeichnung hierfür hieß einst „novum castrum“ (neue Burg). Das deutet darauf hin, dass hier schon vorher eine Festung gestanden hat. Eine 140 m lange Wallaufschüttung gab es auch noch auf dem Bühl bei Niederschelden, es ist die Nassauer Burg.

Da ähnliche Fliehburgen, leider nicht im Siegerland, ausführlich erforscht worden sind, können wir uns ein Bild von dem ursprünglichen Zustand dieser Burgwälle machen. Die Wälle waren damals senkrecht  durch starke Stämme und Trockenmauerwerk verstärkt aufgebaut. Die ursprünglichen Höhen waren zu jener Zeit vier bis sechs Meter. In den vergangenen Jahrhunderten sind die Dämme auseinandergefallen. Das Erdreich ist in der Hauptsache nach außen in den Graben abgerutscht und hat ihn zum größten Teil gefüllt. An der Außenkante waren stellenweise Baumstämme, die etwa 1,3 Meter über den Erdwall herausstanden. Es war die so genannte Brustwehr. Hinter diesen Stämmen standen einst die Verteidiger mit ihren Wurf- und Schleudergeschossen und hielten damit die angreifenden Feinde ab. Der Ringwall auf dem Hohenseelbachskopf ist dagegen aus aufeinandergeschichteten Basaltsäulen erbaut worden.

Die Angreifer hatten erst einen breiten in der Tiefe spitz zulaufenden Graben zu überwinden, ehe sie Leitern und

Grundriss der Ruine Ginsberg, Stand 1973

Leinen, bzw. ähnliches anlegen konnten, oder mit geschickten Kletterversuchen den Wall zu besteigen. Dies war, wenn die Verteidiger aufpassten, kaum möglich. So erschienen diese Wallburgen zur damaligen Zeit als fast sturmsichere Festung, die nur durch lange Belagerung einzunehmen war. Diese Vorgehensweise die man auch Aushungerung nannte, dürfte auch nicht leicht gewesen sein. Da diese Burgen auch Viehherden aufnehmen konnten, ja vielleicht auch Flächen zum Körneranbau boten. Diese Fliehburgen waren in der Regel nicht ständig bewohnt, sondern boten lediglich bei Feindeseinfällen, was allerdings nicht selten war, der Bevölkerung der Umgebung mit ihrer beweglichen Habe Zuflucht. Erst später wurde mit dem Bau von Herren- bzw. Ritterburgen begonnen, die im Volksmund viel bekannter sind.

Bei Rittershausen, nahe der Siegerländer Grenze, ist eine Wallburg durch Ausgrabungen erforscht worden. Kleine Scherben und ein Halsring aus Bronze waren die ältesten Funde aus der Hallstattzeit (800 bis 500 vor Christi). Die meisten Findlinge waren  aus der älteren La–Tene–Zeit (500 bis 200 vor der Zeitrechnung), wo man schon vorzugsweise Eisen für Waffen und Werkzeuge verwendete. Die Funde der jüngeren

Luftbild der Burganlage Ginsberg, die inmitten eines alten Ringwalles liegt, vor dem Wiederaufbau der Vorburg

La-Tene-Zeit (200 bis Christi Geburt) sind germanischen Ursprungs. Die Kelten sollen diese Burg Jahrhunderte lang bewohnt und darin Eisen verhüttet haben. Die Burg soll etwa 400 vor der Zeitrechnung zerstört und aufgegeben worden sein. Im Inneren, dicht hinter dem innersten Wall, fand man lange Reihen Brandschutt. Es müssen also Häuserreihen hier gestanden haben die durch einen gewaltigen Brand vernichtet worden sind.

Bestimmt geht auch ein Teil unserer Siegerländer Wallburgen bis in die graue Vorzeit zurück, wo Kämpfe stattgefunden haben zwischen den eingesessenen Kelten und den vom Osten eindringenden Germanen. Die Kelten unterlagen schließlich und wurden nach Frankreich zurückgedrängt.  

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