Bewohner 1870

Das Siegerland und seine Bewohner um 1870

Die Siegerländer hatten einen großen und starken Körperbau sowie eine wunderbare Kraft. Von klein auf waren sie rau erzogen worden und hatten sich an das unangenehme Klima, Kälte und Hitze sowie an die harte Arbeit gewöhnt. Das Hausmannsbrot der Siegerländer war Schwarzbrot, welches aus grob gemahlenem Roggen gebacken wurde. Das Brot war kräftig und schmackhaft. In den ärmeren Gegenden wurde der Roggen auch

Sammelteller - Siegen um 1850

noch mit Gerste und Hafer gemischt. Im Hickengrund kannte man dieses nahrhafte Brot nicht, dort aß man gebeuteltes Brot.

Aber die Kartoffel war die wichtigste Nahrung des kleinen Mannes. Sie kam morgens, mittags und abends auf den Tisch. Die besser Gestellten gönnten sich mittags auch etwas Gemüse dazu und ab und zu auch eine Scheibe Schweinefleisch. Schon früh kamen die Duffeln (Kartoffeln) ins Siegerland. Bereits 1715 wurden die ersten größeren Ernten  eingefahren. Allgemein war die Landwirtschaft für die Siegerländer ein wichtiger Baustein ihres Lebens. Auf den Wiesen stand das Vieh. Getreide wurde für Brot gebraucht und Kartoffeln für die Riewekooche. Der Riewekooche war ein Kartoffelbrot. Das Vieh gab Milch und Fleisch, die Pferde waren die Arbeitstiere und wurden auf den Äckern, in Gruben und dem Hauberg benötigt. Die meisten Bauern konnten sich allerdings kein Pferd leisten und somit wurden die Kühe als Zugtiere angespannt.

Die Bauern in den Bauerndörfern mästeten jedes Jahr ein paar Schweine die zu Anfang des Winters geschlachtet wurden. Aber auch ein Rindvieh wurde manchmal dabei geschlachtet. Das Fleisch wurde zum großen Teil gesalzen (gepökelt) und kam danach in den Rauchfang. Somit wurde es schmackhaft und war das ganze Jahr zu genießen. Dicke Milch wurde in den

Marburger Tor in Siegen um 1850

Bauernfamilien zu Mittag und zu Abend genossen. In der Küche spielten die Versorgungsverhältnisse eine Rolle. Die Lebensweise war in der Stadt natürlich anders als auf dem Lande.

Der kräftig gedrungene Körperbau des Siegerländers war auch gut für einen tapferen Soldaten. Als Hütten- und Hammerarbeiter sowie als Bergmann war er sehr früh mit den Gefahren vertraut. Das Streben nach einem besseren Leben beherrschte der Siegerländer in einem hohen Maße. Aber er ließ sich da durch nur ganz selten zu unerlaubten Mitteln verleiten. Bei allem was er machte sah er die praktische Nützlichkeit. Es wurde alles überlegt, selbst Freud und Leid im gewöhnlichen Lebensverkehr. In dieser Liebe zur Heimat wurzelte der Stolz eines edlen Siegerländers, der ihm auch Ordnungsliebe und Pünktlichkeit gab. Der Stolz auf sein Geburtsland trieb ihn zu streben an, so das der Volksnamen unbefleckt blieb.

Johann der Jüngere trat zum katholischen Glauben über und seine Untertanen mussten ihm folgen. So wurden die jetzigen Ämter Netphen, Wilnsdorf und ein Teil des Amtes von Weidenau, welches an dem linken Siegufer lag, sowie die Orte Hardt, Münkershütten und Schneppenkauten zum großen Teil wieder katholisch. In den Ämtern Burbach, Ferndorf, Freudenberg und Hilchenbach sowie in der von der Sieg rechts liegenden

Henner und Frieder - Wahrzeichen und Gedenken an Berg- und Hüttenmann

Teil, des Amtes Weidenau blieb der evangelisch - reformierte Glaube vorhanden. Im Jahr 1874 hatte der Kreis Siegen 59.777 Einwohner. Hiervon waren 49.317 evangelisch, 10.087 katholisch, 100 Juden und 273 Dissidenten. Bei der Liebe zur Heimat hatten die Siegerländer auch eine strenge Religiosität. Auch der Besuch der Gottesdienste war gut. Die Sonn- und Feiertage wurden für ihn als heilig angesehen. Die Geistlichen wurden geachtet und hatten großen Einfluss, denn sie verstanden es in ihren Reden durch lebendige Beispiele Achtung zu gewinnen.

Die Kindererziehung besorgten bis zum sechsten Lebensjahr die Eltern. In Siegen bestand eine Kleinkinderschule, wo die Kinder bis zum schulpflichtigen Alter in angemessener Weise beschäftigt wurden. Nach der Konfirmation im 14. Lebensjahr waren die Kinder schulfrei. Sie hatten aber noch nicht ausgelernt und sollten die Gelegenheiten zur Weiterbildung nutzen. Schlimm war es allerdings wenn die Knaben ab dem 12. Lebensjahr arbeiten mussten. Ob beim Kochen, Spülen, Vieh hüten oder Scheiden der Erze. Man hatte leider den Gedanken, nur wer von Kindesbeinen an geregelt gearbeitet hatte taugte in unserer Gesellschaft etwas. Der

Das alte Backhaus am Pfarrteich in Oberholzklau -
Foto: Armin Schwarz

Gesundheitszustand war zufriedenstellend und es wurde ein Alter von 60 bis 70 Jahre erreicht aber auch 80jährige Personen gab es. Die häufigsten Epidemien im Kreis waren Masern, Typhus, Keuchhusten und die Ruhr.

Die Volkstracht wurde nur noch wenig getragen aber wenn, dann lieber an den Werktagen als an Sonn- und Feiertagen. Aber das Schurzfell des Siegerländers war noch vielfach im Gebrauch. Die männliche Bevölkerung trug zum größten Teil blaue Kittel dabei. Das weiße Käppchen, welches die von der Stirn zurückgekämmten Haare aufnahm, war bei der weiblichen Bevölkerung noch im Gebrauch. Die Hauben der Freiengründerinnen waren breiter und höher aber nur noch selten zu sehen. Der Rock bestand aus schwarzen Leinen und hatte hinten viele kleine Fältchen. Eine dunkelblaue Schürze trug man über diesem Rock. Auch das Leibchen war blau mit weißen Blümchen. Die Männer trugen hochgehende Schuhe und außer Haus zogen sie einen blauen Kittel an. Im Hickengrund dagegen hatten die Männer eine kurze Strumpfhose mit Schuhen und Gamaschen an und eine Zipfelmütze auf dem Kopf.   

Kurzes Vollleder Schurzfell, wie es seinerzeit getragen wurde

Die Geschichte des Siegerlandes ist reich an großen Erinnerungen, denn sie standen hier manchmal an der Wiege eines Heldengeschlechtes das Europa mehr als einmal am Steuer der Weltgeschichte sah. Es war das Haus der Nassauer, das Deutschland dem Kaiser Adolf schenkte, aber einen Wilhelm von Oraien mit einem ganzen Regentengeschlecht den Niederländern und den Engländern hat es dem König Wilhelm III. gegeben. Nach der Auflösung des deutschen Bundes 1866 und der Gründung des norddeutschen Bundes, der 1871 zum Deutschen Reich erweitert wurde, blieb der Kreis Siegen in der Provinz Westfalen des Königreiches und Freistaates Preußen.

Es zogen auch viele Frachtfuhrleute und Hopfenhändler umher. Sie verbanden dieses Geschäft auch mit dem Getreidehandel. Sie kamen weit umher und waren in weiten Kreisen sehr bekannt. Viele meinten ja, die Siegerländer, die in ihren abgelegenen Wohnorten wohnten, wären unbekannt. Größere Handelshäuser haben den Hopfenhandel später angenommen. Aber auch der Getreidehandel und das Fuhrmannsgeschäft sind seit Eröffnung der Eisenbahn in andere Hände gegangen.

Im 19. Jahrhundert wurde im Zuge der Industrialisierung immer mehr Erz gebraucht. Das Siegerland entwickelte sich zu dem bedeutendsten Zentrum des Erzbergbaues. 1853 waren 660 Gruben aktiv. Ab 1850

 Heuernte vor langer Zeit -
Bild: Jürgen H. Schawacht

wurden Dampfmaschinen für die immer tiefer werdende Schächte genutzt. Es wurden immer mehr Stollen zur Abführung der Grubengewässer angelegt. 1884 hatte sich im zurückliegenden Vierteljahrhundert der Erzbergbau im Siegerland dank der Eisenbahn versiebenfacht.

Im Siegerland, das von viel Niederschlag geprägt war, durchzogen schmale Bachläufe die Wälder und steil aufsteigende Wanderwege gaben den Blick auf umliegende Berggipfel frei. Das Siegerland war mit seinem angrenzenden Rothaargebirge ein beliebtes Ausflugsziel. Aber nicht nur die weitläufigen Wälder lockten  die Touristen ins Siegerland auch die Fachwerkidylle der Städte und Dörfer war ein Besuch wert.

 

 

Literaturhilfe:
www.geo.de
: Siegerland, Deutschland
wikipedia: Wilhelm III (Oranien)
Christian Nositz : Das Siegerland und seine Bewohner
Wikipedia: Siegerland
Bergbau im Siegerland: Industrialisierung und Blütezeit

 

 

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