Landwirtschaft

Ackerbau und Viehzucht seinerzeit im Siegerland

Durch die fränkische Erbteilung hatte sich der bäuerliche Besitz im Siegerland im Laufe der Jahre so zersplittert, dass 83 % der landwirtschaftlichen Betriebe nach dem letzten Krieg Kleinbetriebe waren. Insgesamt gab es im Siegerland im Jahre 1950 noch 9848 landwirtschaftliche Betriebe, von denen 8152 Zwergbetriebe waren, die nur ein bis zwei ha Grundbesitz hatten. (1) Nur in Verbindung mit dem Haubergbesitz waren diese Betriebe seinerzeit erst lebensfähig. Sie dienten überwiegend der Selbstversorgung und wurden im Nebenberuf bewirtschaftet. Sie trugen aber auch dazu bei, dass die in der Industrie Beschäftigten im Siegerland blieben und die Notzeiten besser überbrücken zu können.

Auch heute noch raucht ein Kohlenmeiler in Netphen-Walpersdorf im Siegerland

Übrigens ist das Wort Hauberg erstmals in einer Urkunde aus dem Jahre 1467 erwähnt worden. Die erste Haubergsordnung stammt aus dem Jahr 1562. Sie dürfte eines der allerersten deutschen Forstgesetze sein. (2) Die Haubergswirtschaft vereinigte seinerzeit Waldbau und Feldbau auf der gleichen Fläche.

Nur 14 % der Gesamtfläche vom Siegerland war einst Ackerland, im Reichsgebiet waren es 41 v. H. Deswegen war die Verwendung des Haubergs auch als Feld in früher Zeit notwendig. Da der Hauberg früher als wichtiger Holzkohlelieferant galt, durfte er nicht gerodet werden. So blieben nur 10% der Gesamtfläche des Siegerlandes für die Wiesen in den oft nassen Talgründen übrig. Auch der steinige, kalkarme Lehmboden, der durch die großen Regenmassen noch kälter und schwerer wurde, war nicht besonders ertragreich. (3) Durch die starke Viehhaltung gab es viel Stallmist, der aufs Feld gefahren wurde und den Boden fruchtbarer machte. Das heutige Landschaftsbild des Siegerlandes mit seinen Haubergen, Forsten, Äckern und Wiesen ist eine Kultivierung durch harte Arbeit und keine

Es war einst eine mühselige Arbeit, bis die Säcke bei der Kartoffelernte gefüllt waren

natürliche Begebenheit.

Im Siegerland wurde einst überwiegend Hafer angebaut, was eine Urkunde aus dem 15. Jahrhundert belegt. (4) So wurden im Jahre 1893 noch 51 % Hafer angebaut. Erst seit 1900 übernimmt der Roggen die Vorherrschaft. Neben dem gut gedeihenden Roggen wurden auch Kartoffeln mit angepassten Sorten erfolgreich angebaut. Schon früh kamen die ,,Düffeln“ (Kartoffeln) ins Siegerland. Bereits 1715 wurden größere Ernten eingefahren. Die Landwirtschaft war für die Siegerländer seinerzeit ein wichtiger Baustein. Um ihren Nahrungsbereich zu decken, rodeten bereits vor etwa 5000 Jahren in Europa die Menschen die Wälder und hatten Erfolg mit der Landwirtschaft. (5) 

Eine Fläche von 8344 ha Ackerland und Gärten hatte unser Siegerland 1952. Dieses waren 12,8 v. H. der Gesamtfläche. Auch Anfang des 19. Jahrhundert war der Anteil schon so groß. Die geringe Bedeutung des Ackerbaues konnte man an der kleinen Menge der Bodennutzung erkennen. Dieses war von jeher so, denn jeder ha Acker ist durch Rodung dem Wald entrissen worden. Nie sind Früchte vom Acker aus dem

Da vom Mähen bis zum Aufladen bei der Heuernte seinerzeit alles von Hand erledigt wurde, benötigte man viele Helfer

Siegerland exportiert worden, im Gegenteil, die Einfuhr von Getreide von der Wetterau und der Soester Börde spielte schon im Mittelalter eine große Rolle. Die spärliche Strohmenge genügte für fünf bis sechs Monate Stallzeit nicht zum streuen bei dem hohen Viehbestand. Auch hier lieferte der Hauberg durch Farnkraut und Ginster wieder Ersatz.

Von jeher war die Viehhaltung im Siegerland bedeutender als der bescheidene Ackerbau. Die Weiden des Haubergs lieferten das Futter im Sommer und die Rieselwiesen das Stallfutter für den Winter. Nachdem der Hauberg geschlagen war, wurde er sechs Jahre geschont, bis das Maul des Viehs die Triebe nicht mehr erreichen konnten. Ab dem siebten Jahr diente der Hauberg dann mindestens 12 Jahre als Weide. Da die Haubergsweiden oft unübersichtlich waren, hatten die Tiere wie auf den Hochgebirgsalmen auch Halsglocken. Zwei Drittel der Haubergsflur diente etwa sechs Monate im Jahr ständig als

Nachdem das Gras mit der Sense gemäht war, wurde es nach dem Ausbreiten mehrmals mit dem Rechen gewendet. Wegen der Nachtfeuchtigkeit wurde es abends auf Haufen gesetzt

Sommerweide.

Im Jahre 1559 hatte die Stadt Siegen über 900 Stück Rindvieh bei einer Einwohnerzahl von 3000 Menschen. (6) Wegen der starken Waldhude, die diese Tiere in Anspruch nahmen und dem dadurch verbundenen Verlust von Holzkohle, beschloss der Stadtrat von Siegen den Rindviehbestand um 1/3 zu reduzieren. (7) Denn von der Menge der zur Verfügung stehenden Holzkohle hing die Erzeugung bei der Eisenindustrie ab und somit der Wohlstand des Siegerlandes. Bei einer Viehzählung kamen im Jahre 1563 im Siegerland auf 100 Einwohner 132 Stück Rindvieh. Als Grundlage der Ernährung war das Rind am besten geeignet, denn man hatte ja genug Rindervieh. 1926 waren es noch 13,7 Stück und 1950 nur noch 5,5 Stück Rindvieh je 100 Einwohner. (8) Der Grund dieser gewaltigen Reduzierung war der starke Anstieg der Bevölkerung. So gab es 1850 im Siegerland je qkm 71 Einwohner, 1939 waren es 166 E. je qkm und 1950 217 E. je qkm.

Hierzu hatten auch die Verringerungen der Haubergsweiden und die zunehmende Einschränkung der Rieselwiesen durch die Ausbreitung der Industrie beigetragen. Auch wurde die Ziegenhaltung von der Industrie sehr gefördert. So waren im Jahre 1950 neben 9855 Kühen auch 12000 Ziegen vorhanden. Auf 100 Einwohner kamen seinerzeit 6,7 Ziegen. In den wasserreichen Tälern hatte sich die Industrie ausgebreitet und somit Wiesen und Äcker belegt. Vier Ziegen brachten in etwa die

Das richtige Beladen des Heuwagens musste gelernt sein

Milchleistung einer Kuh. In den industriereichen Tälern des Siegerlandes sah man die weißen Saanenziegen. Es war eine Hausziege, die aus dem schweizerischen Saaneland im Kanton Bern kam, daher auch der Name. Sie galten früher als Waldverwüster und durften die Weiden der Hauberge nicht betreten. Häufig sah man sie an den Wegrändern weiden. (9) Man nannte sie auch die Kühe des armen Mannes.

Überwiegend wurde das rote Höhenvieh gehalten. Diese feingliedrige Rinderrasse hatte sich im Laufe der Jahre unserer Mittelgebirgslandschaft hervorragend angepasst. Es war wohl ein  Nachkomme des früher in Mitteleuropa gezüchteten roten keltischen Landrindes. (10) An das raue Klima und das bescheidene Grünfutter hatte es sich über Jahrhunderte gewöhnt. Weiterhin war es abgehärtet und geländegängig. Da die Kleinbetriebe sich keinen Fahrochsen oder gar ein Pferd leisten konnten, wurden etwa 85 % der Kühe zu Spanndiensten herangezogen. Der Milchertrag lag bei über 3000 Liter pro Jahr und Kuh bei einem hohen Fettgehalt von 3,5 bis 4 %. Außerdem waren sie noch Fleischlieferant. Somit musste sich dieses rote Höhenvieh dreifach bewähren und zwar als Zugtier sowie als Milch- und Fleischlieferant.

Im Jahre 1861 betrug der Haubergsanteil 60% des Siegerlandes und man konnte mit etwa 2000 ha jährlichem Getreideboden im Hauberg rechnen. Die Steinkohle, die die neu gebaute Eisenbahnlinie ab 1861

Veronika und Heinz Hoffmann, die Sieger beim Mähwettbewerb im Johannland. Sense und Rechen bleiben, wie auf dem Bild zu sehen, bis heute unverzichtbare Arbeitsgeräte

mitbrachte, veränderte diese Situation aber gewaltig. Da die Steinkohle eine größere Hitze brachte als die Holzkohle und dazu noch billiger war, gingen die unzähligen Holzkohlemeiler immer mehr zurück. Auch viele Hauberge wurden nach und nach in Hochwald rückverwandelt. Unendlich viel hat sich in der Landwirtschaft in den letzten Jahren geändert. Was einst ganze Kolonnen von Arbeitskräften verrichteten, dass leistet man heute mit modernen Maschinen und Geräten im Einmann-Verfahren.

Im Siegerland wurde die Rohmilch seit dem 1. April 1952 nach dem Fettgehalt bezahlt. Sie unterlag Schwankungen und war etwa folgendermaßen gestaffelt. Für einen Liter Milch mit einem Fettgehalt von 2 % wurden 19,5 Pfennig gezahlt. Für jeweils einen Liter mit 3,0 bzw. 4,0 oder 4,5 % Fettgehalt wurden 25,5 bzw. 31,5 ja sogar 34,5 Pfennig gezahlt. Durch diese Milchpreisordnung hatte das bewährte einheimische rote Höhenvieh wieder an Boden gewonnen. Längst ist aber die Waldhude erloschen und es gibt im Siegerland nur noch wenige Nebererwerbslandwirte.

Die erzeugte Rohmilch wurde zum größten Teil in die seit 1897 bestehende Milchverwertungsgenossenschaft in Geisweid geliefert. Die Milch wurde hier molkereimäßig verarbeitet. Aber auch Butter wurde hergestellt. Etwa 15 Millionen Liter Milch wurden hier jährlich verarbeitet. 77 % dieser Milch kam aus dem Siegerland. Der Rest wurde aus dem Kreis Olpe und dem Oberbergischen geholt. Die Milchwirtschaft hatte seinerzeit, im Gegensatz zu heute, eine sehr große Bedeutung für die Landwirtschaft, denn 80 % der gesamten Einnahmen kamen hiervon. (11)

 

 

Quellennachweis:
1. Paul Fickeler – Das Siegerland
2. Rudolf Braach – Landwirtschaft und Bevölkerung des Siegerlandes ……
3. Paul Fickeler – Das Siegerland
4. H. Böttger – Siedlungsgeschichte des Siegerlandes
5. Internet – Ackerbau und Viehzucht der Kelten
6. H. Kruse – Forstwirtschaft und Industrie …….
7. H. Kruse – Forstwirtschaft
8. H. Böttger – Siedlungsgeschichte des Siegerlandes
9. P. Fickeler – Achenbach Buschhütten Festschrift …..
10. Weber – Festschrift zur Hundertjahrfeier ……
11. Paul Fickeler – Das Siegerland

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